Schlussbericht (Drs. 16/17740) - Bayerischer Landtag
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Drucksache <strong>16</strong>/<strong>17740</strong> <strong>Bayerischer</strong> <strong>Landtag</strong> • <strong>16</strong>. Wahlperiode Seite 93<br />
Der Zeuge Boie gab hierzu an, dass er den Generalstaatsanwalt<br />
in München unmittelbar nach der Besprechung am<br />
12.9.2001 (siehe hierzu Frage 3.5) über den Handlungsstand<br />
und über die Überlegungen bzw. Beschlüsse zur organisatorischen<br />
Handhabung Bericht erstattet habe. Weitere Berichte<br />
an den Generalstaatsanwalt seien im Februar 2002 über den<br />
erfolglosen Abschluss der Ermittlungen im Fall Kilic und im<br />
Juni 2005 in Folge des Falles Boulgarides zum Thema „Weitere<br />
Zuständigkeitskonzentration“ erfolgt. Ermittlungsanregungen<br />
des Generalstaatsanwalts an die zuständige Staatsanwaltschaft<br />
hat es laut dem Zeugen Boie nicht gegeben.<br />
Solche seien auch in anderen Fällen nicht erfolgt, da solche<br />
Anregungen eine umfassende Akten- und Detailkenntnis<br />
voraussetzen, die aufgrund eines solchen Berichts nicht gegeben<br />
sei. 482<br />
B.3.8.2. Haben die GenStAen Nürnberg und München an<br />
das StMJ berichtet und falls ja, sind von dort ggf. Weisungen<br />
erteilt oder Hinweise gegeben worden und falls<br />
ja, mit welchem Inhalt?<br />
Die Sachstandsberichte der Staatsanwaltschaften wurden regelmäßig<br />
von den Generalstaatsanwälten in Nürnberg und<br />
München an das Justizministerium weitergeleitet.<br />
Weisungen wurden nach Aktenlage und nach Angaben der<br />
Zeugen Dr. Merk und Dr. Kimmel nicht erteilt. 483<br />
B.3.8.3. Haben die „SoKoen“ regelmäßig an das LKA<br />
und das StMI berichtet und falls ja, wer war dort zuständig<br />
und sind Weisungen zu den polizeilichen Ermittlungen<br />
erteilt oder Hinweise gegeben worden und falls ja,<br />
mit welchem Inhalt?<br />
Es findet sich eine Vielzahl von Berichten in den Akten. 484<br />
Zuständig im Bayerischen Staatsministerium des Innern war<br />
der Referatsleiter IC5, Herr Leitender Polizeidirektor Peter<br />
Dathe.<br />
Die Mordserie sei von Anfang an im Innenministerium unter<br />
besonderer Begleitung gestanden, insbesondere auch durch<br />
Minister Dr. Beckstein und den Landespolizeipräsidenten,<br />
so der Zeuge DATHE. Minister Dr. Beckstein, Landespolizeipräsident<br />
Kindler und er selbst hätte sich regelmäßig<br />
bei den Mitarbeitern vor Ort über den Fortgang der Ermittlungen<br />
erkundigt. Diese Ermittlungen hätten innerhalb der<br />
bayerischen Polizei und der Polizeiabteilung des Innenministeriums<br />
oberste Priorität gehabt. 485 Man führe aber im<br />
Innenministerium keine eigenen Ermittlungen, sondern sei<br />
auf Beratung und Berichterstattung von Polizei und Staatsanwaltschaften<br />
angewiesen. Man habe keine Veranlassung<br />
gesehen, an diesen Berichten zu zweifeln und andere Erkenntnisse<br />
einzubringen. 486 Man habe sich auch vonseiten<br />
des Ministeriums nicht konkret („Im Sinne von Controlling…“)<br />
in die Ermittlungsarbeit der Polizei eingemischt. 487<br />
Der Zeuge KINDLER sagte hierzu aus, dass die Ermittlungen<br />
Sache der Mordkommissionen und der Staatsanwaltschaft<br />
seien und sich das Innenministerium hier im Regelfall<br />
nicht einmische. Aufgabe sei es vielmehr, die Polizei zu unterstützen,<br />
wenn diese personelle oder sachliche Unterstützung<br />
benötigte. 488<br />
Einmal sei Minister Dr. Beckstein selbst zur Sonderkommission<br />
in Nürnberg gegangen und habe dort „enormen Druck“<br />
gemacht, so der Zeuge KINDLER. 489<br />
B.3.9. Welche Ermittlungsmaßnahmen (Einsatz verdeckter<br />
Ermittler, TKÜ, Rasterfahndung etc.) sind von<br />
der SoKo „Halbmond“ ergriffen worden und welche Ergebnisse<br />
haben sie jeweils erbracht?<br />
Folgende Ermittlungen seien nach Bildung der SoKo<br />
„Halbmond“ durchgeführt worden (Sachstandsbericht vom<br />
21.05.2002): 490<br />
• Abgleich mit anderen Tötungsdelikten über die Falldatei<br />
des BKA;<br />
• Waffenvergleichsuntersuchungen in den Niederlanden<br />
und in Polen;<br />
• Datenabgleich ausländischer Handynummern (ca. 12.000<br />
Stück);<br />
• Abklärungen zu einem Tötungsdelikt in Heilbronn;<br />
• Ermittlungen zu Festnahme in Kassel;<br />
• Auslandsermittlungen in den Niederlanden;<br />
• Zusammenarbeit mit EUROPOL;<br />
• Einbindung der Operativen Fallanalyse;<br />
Die Ermittlungen seien erfolglos geblieben.<br />
B.3.10. Welche Konsequenzen haben die SoKoen und<br />
die Staatsanwaltschaften gezogen, nachdem festgestellt<br />
worden war, dass die drei Morde in Bayern und der<br />
Mord in Hamburg mit derselben Tatwaffe begangen<br />
worden sind?<br />
Der Zeuge Störzer führte hierzu aus, dass man in der<br />
SoKo «Schneider» aus dieser Tatsache in erster Linie die<br />
Konsequenz gezogen habe, dass die beiden Morde zusammen<br />
gehörten. Man sei möglicherweise von dem gleichen Täter<br />
ausgegangen, habe dies aber nicht als zwangsläufig angesehen.<br />
Bei den Ermittlungen sei im Vordergrund gestanden,<br />
eine Verbindung zwischen den beiden Mordopfern Simsek<br />
und Özüdogru herzustellen. 491 Es hätten sich aber keinerlei<br />
Verbindungen zwischen den Tatopfern ergeben, außer der<br />
Tatsache, dass beide türkische Staatsangehörige gewesen<br />
und mit derselben Waffe erschossen worden seien. 492 Nach<br />
dem Mord an Kilic sei festgestanden, dass man es mit einer<br />
482 Boie, 09.04.2013, S. 74, 83 ff.<br />
483 Akte Nr. 1 und Nr. 378; Dr. Kimmel, 18.06.2013, S. 209 f., Merk,<br />
20.06.2013, S. 5.<br />
484 Akte Nr. 8 (DVD)/ohne Beschluss/STMI_Akten/2_Anlagen/1. Übersendung/2.<br />
IC5-11<strong>16</strong>.14-227_Mord Kilic.<br />
485 Dathe, 23.04.2013, S. 4.<br />
486 Dathe, 23.04.2013, S. 10.<br />
487 Dathe, 23.04.2013, S. 15.<br />
488 Kindler, 23.04.2013, S. 79 f.<br />
489 Kindler, 23.04.2013, S. 98.<br />
490 Akte Nr. 8 (DVD)/ohne Beschluss/STMI_Akten/2_Anlagen/1. Übersendung/2.<br />
IC5-11<strong>16</strong>.14-227_Mord Kilic, Bl. 0205 ff.<br />
491 Störzer, 05.02.2013, S. 22.<br />
492 Störzer, 05.02.2013, S. 23.