Schlussbericht (Drs. 16/17740) - Bayerischer Landtag
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Seite 30 <strong>Bayerischer</strong> <strong>Landtag</strong> • <strong>16</strong>. Wahlperiode Drucksache <strong>16</strong>/<strong>17740</strong><br />
ihm hier durchaus möglich, wenn nicht sogar wahrscheinlich.<br />
Als die wahrscheinlich zentralen – möglichen – Kontaktpersonen<br />
des NSU im Raum München wären erwägenswert:<br />
Martin Wiese und Norman Bordin, auch aufgrund ihrer<br />
nachgewiesenen Gewaltbereitschaft.<br />
Die wahrscheinlichsten Kontaktpersonen im Raum Nürnberg<br />
der NSU seien Matthias Fischer, der auf der Kontaktliste<br />
zu finden sei, und Mandy Struck, die später nach Franken<br />
gezogen sei und sich auch in der von Matthias Fischer angeführten<br />
„Fränkischen Aktionsfront“ engagiert habe, u. a.<br />
zusammen mit Gerhard Ittner, der ebenfalls in der „Fränkischen<br />
Aktionsfront“ aktiv gewesen sei.<br />
Ein Indiz, dass hier eine gewisse Verwicklung existiert sei<br />
folgendes:<br />
Es sei der Ausweis eines Tennisklubs aus Großgründlach,<br />
ausgestellt auf den Namen Mandy Struck, in den Überresten<br />
der Wohngemeinschaft des NSU gefunden worden. Der Tennisklub<br />
Großgründlach sei unweit des damaligen Wohnsitzes<br />
von Matthias Fischer gelegen.<br />
Gerhard Ittner sei 2005 untergetaucht. Laut Presseberichten<br />
habe er am 26.08.2000 in Nürnberg an Autofahrer ein Flugblatt<br />
verteilt, gerichtet an die „mitteldeutschen Volksgenossen“,<br />
in dem er das „Unternehmen Flächenbrand“ ausgerufen<br />
habe. Die Parole des Flugblatts habe gelautet: „1.<br />
September 2000 – von jetzt ab wird zurückgeschossen!“<br />
Am Ende des Flugblatts soll sich der Satz finden: „Weitere<br />
Anordnungen abwarten (Mittwochsdossier bzw. Angriff)“.<br />
Dieser letzte Satz sei interessant, weil ein bedeutender Teil<br />
der Taten mittwochs verübt worden sei.<br />
Kaum vierzehn Tage nach dem Verteilen dieses Flugblatts<br />
und nur acht Tage nach dem darin angekündigten Startdatum<br />
des „Unternehmens Flächenbrand“ habe der NSU seinen<br />
ersten Mord in Nürnberg verübt, also genau in der Stadt, in<br />
der auch das Flugblatt verteilt worden sei.<br />
Abschließend lasse sich zu diesem Punkt sagen, dass es hier<br />
durchaus bedeutsame Anhaltspunkte für eine enge Verstrickung<br />
von Führungskadern aus den Reihen der 2004 verbotenen<br />
„Fränkischen Aktionsfront“ bzw. der „Kameradschaft<br />
Süd“ – hier vor allem: der rechtsterroristischen „Schutztruppe“<br />
– gebe, die weiterverfolgt werden sollten.<br />
Als Ausblick: Bordin, Wiese und Fischer seien immer noch<br />
als Führungsfiguren der nationalsozialistischen Szene in<br />
Bayern aktiv. Aber das liege jenseits des Untersuchungszeitraums.<br />
Sachverständiger Prof. a.D. Dr. Hajo Funke: 3<br />
Der Sachverständige Prof. a.D. Dr. Hajo Funke bezog<br />
sich in seinen Ausführungen auf ein Sachverständigengutachten,<br />
das er zusammen mit Thomas Skelton-Robinson<br />
über die Verbindung des Rechtsextremismus in Deutschland<br />
3 Prof. a.D. Dr. Hajo Funke, Politikwissenschaftler, Otto-Suhr-Institut<br />
für Politikwissenschaft der FU Berlin.<br />
und Österreich mit dem Holocaust-Leugner David Irving für<br />
den Prozess in London angefertigt habe, des Weiteren auf<br />
seine Darlegungen in „Paranoia und Politik“, auf die Beobachtungen<br />
im Untersuchungsausschuss des Bundestages und<br />
auf seine gutachterliche Stellungnahme im Erfurter Untersuchungsausschuss<br />
sowie auf das, was Andrea Röpke, Robert<br />
Andreasch und das Antifa-Magazin „a.i.d.a.“ veröffentlicht<br />
hätten; dort seien zum Teil ausgezeichnete Analysen gefertigt<br />
worden.<br />
Barbara John sei es gewesen, die in aller Deutlichkeit davon<br />
gesprochen habe, dass in der Folge der Aufklärungsversuche,<br />
die gescheitert seien, die Opferfamilien sekundäres<br />
Leid erfahren hätten – eine zweite Traumatisierung –, und<br />
die eine Haltung der Empathie, der Sensibilisierung, nicht<br />
der Vorverurteilung angemahnt habe.<br />
Man brauche für diesen Prozess der Aufklärung eine Kultur<br />
der Anerkennung der Opferfamilien, der potenziellen Opfer,<br />
eine Kultur der Empathie und der Abweisung jeder Verachtung<br />
und Herabsetzung. Rassistisch Ermordete seien per<br />
definitionem schuldlos, auch wenn man noch so viel über<br />
Drogen suchen und finden könnte.<br />
Zu dieser Kultur der Anerkennung gehöre auch eine Fehlerkultur.<br />
Das vielleicht eindrücklichste Dokument in diese<br />
Richtung sei die Schlusserklärung von Heinz Fromm nach<br />
seinem Rücktritt.<br />
Er habe das Bundesamt für Verfassungsschutz als eines beschrieben,<br />
in dem es zu viel analytische Engführung und<br />
Bornierung gegeben habe. Er sei sich nicht sicher gewesen,<br />
ob das Amt die angemessenen Konsequenzen ziehen könne.<br />
Zu den Ausführungen des Sachverständigen Kailitz fügte<br />
Funke einen Punkt hinzu, der sich auf einen der hiesigen<br />
Neonazis und V-Leute bezog, nämlich auf Kai D.<br />
Es sei in diesem Gremium mehrfach über ihn gesprochen<br />
worden, wenn auch ohne volle Namensnennung, aber es sei<br />
erlaubt, ihn als Kai D. zu beschreiben. Im „Spiegel“ 45/12<br />
werde im Grunde der Rahmen dessen beschrieben, worum<br />
es gehe. Für den Sachverständigen Prof. Funke klinge Kai D.<br />
nach dem, was über ihn mitgeteilt werde, auch nach einem<br />
Überzeugungstäter. Wenn es aber nicht so sei, sondern wenn<br />
es tatsächlich so sei wie nach einem Bericht der „Süddeutschen<br />
Zeitung“ vom 15.11.2012, in dem es heiße: „Anders<br />
als bislang angenommen, war D. auch kein überzeugter<br />
Rechtsextremist, als die bayerischen Sicherheitsbehörden<br />
ihn verpflichtet haben. Der gebürtige Berliner soll zuvor für<br />
den Berliner Verfassungsschutz als Spitzel gearbeitet und die<br />
linke Szene ausgeforscht haben. Ein „Miet-Maul“ sei er gewesen,<br />
heißt es über D. Aus familiären Gründen sei er in den<br />
Achtzigerjahren nach Bayern umgezogen.“, dann hätte der<br />
deutsche Staat ein Problem.<br />
Die „Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front“, der Kai<br />
D. angehört habe, habe eine zentrale Funktion. Sie habe sie<br />
auch in Bayern.