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Schlussbericht (Drs. 16/17740) - Bayerischer Landtag

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Seite 54 <strong>Bayerischer</strong> <strong>Landtag</strong> • <strong>16</strong>. Wahlperiode Drucksache <strong>16</strong>/<strong>17740</strong><br />

Der Zeuge Hegler wurde zu V gefragt:<br />

„Diese Person hat ja das Thule-Netzwerk aufgebaut, hat<br />

die Heß-Gedenkmärsche initiiert und auch verschiedene<br />

Strafverfahren am Hals gehabt. Sie wissen sicher die ganze<br />

Reihe, was sich da zusammengesammelt hat. Eines ist natürlich<br />

schon rätselhaft: Wie es sein konnte, dass das Bayerische<br />

Landesamt, wenn diese Aussage stimmt, so eine Person<br />

als V-Mann führt?“<br />

Dazu sagte Hegler:<br />

„Wenn diese Aussage so stimmt im Hinblick auf die Aktivitäten,<br />

dann wäre das ein Punkt, der aus heutiger Zeit, denke<br />

ich jetzt einmal, anders bewertet werden würde, als das<br />

damals vielleicht der Fall war. Ich habe ja vorher darauf<br />

hingewiesen, dass sich auch unsere Dienstvorschrift entsprechend<br />

geändert hat und auch die Folgen, sage ich jetzt<br />

einmal, des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts zum<br />

NPD-Verbotsverfahren in die neue Dienstvorschrift mit Einfluss<br />

genommen haben.“ 135<br />

Auch der Zeuge DR. BECKSTEIN war insoweit der Ansicht,<br />

dass eine Organisation der Rudolf-Heß-Gedenkmärsche<br />

nicht mit der Tätigkeit als V-Mann in Einklang zu bringen<br />

sei, weil ein V-Mann zwar mitschwimmen, aber nicht anstiften<br />

dürfe. 136<br />

Bezüglich der Organisation der Heß-Gedenkmärsche durch<br />

V und der Beteiligung V`s am Thule-Netzwerk ergab sich<br />

ein differenziertes Bild. Aus den Akten und insbesondere<br />

auch durch Einvernahme von Zeugen aus dem Landesamt<br />

für Verfassungsschutz hat der Untersuchungsausschuss folgende<br />

Erkenntnisse erlangt:<br />

• Möglicher Kontakt mit den Rechtsterroristen bzw. deren<br />

Umfeld:<br />

Der Sachverständige Funke sagte aus, dass V als mutmaßlicher<br />

V-Mann des Landesamts für Verfassungsschutz<br />

ab 1994/1995 regelmäßig an Stammtischen der späteren<br />

Rechtsterroristen und am Aufbau rechtsextremer Strukturen<br />

teilgenommen habe. Aus den dem Untersuchungsausschuss<br />

vorliegenden Akten geht hervor, dass V zumindest<br />

an einer Handvoll Veranstaltungen des Thüringer<br />

Heimatschutzes teilgenommen hat.<br />

• Stellung V´s im Thule-Netz:<br />

Die Sachverständige Röpke geht davon aus, dass das<br />

Thule-Netz auf die gesamte rechtsextremistische Szene<br />

im Bundesgebiet ausgestrahlt habe. 137 Das Thule-Netz<br />

formierte sich ab dem Jahr 1993 als eine Informationstechnik,<br />

die Rechtsextremisten neue Möglichkeiten der<br />

Strukturierung und internationalen Vernetzung bot. Das<br />

Thule-Netz war ein Verbund von Mailboxen in Deutschland,<br />

Österreich, Norwegen und den Niederlanden, der<br />

der informationellen Vernetzung von Rechtsextremisten<br />

diente. Es wurde zentral von der Mailbox „Widerstand<br />

BBS“ in Erlangen gesteuert 138 , die von Thomas Hetzer<br />

unter dem Pseudonym Alfred Tetzlaff betrieben wurde. 139<br />

V hat die Mailbox „Kraftwerk BBS“ unter dem Pseudonym<br />

„Undertaker“ betrieben. 140<br />

Im Verfassungsschutzbericht 1996 wird zum Thule-Netz<br />

folgendes ausgeführt:<br />

„Zur Förderung ihrer informationellen Vernetzungsbestrebungen<br />

setzen Rechtsextremisten verstärkt Mailboxen<br />

und deren Zusammenschluss in Form des seit 1993 bestehenden<br />

Thule-Netzes ein. Nach eigenen Angaben hat<br />

das Thule-Netz als ein offenes Kommunikationsmedium<br />

kein Programm oder festgelegtes Ziel. Es versteht sich als<br />

„unabhängiger und überparteilicher Zusammenschluss<br />

von Mailboxen in Deutschland und Europa“. Ihm gehören<br />

bundesweit neun Mailboxen an, darunter in Bayern die<br />

Mailboxen Janus BBS in München und Kraftwerk BBS in<br />

Weißenbrunn sowie die im Thule-Netz führende Mailbox<br />

Widerstand BBS in Erlangen, deren Betreiber umfangreiche<br />

Kontakte zur in- und ausländischen rechtsextremistische<br />

Szene unterhält. Dem Thule-Netz sind ferner<br />

zwei Mailboxen in Norwegen und den Niederlanden angeschlossen.<br />

Bis September bestand zudem eine Mailbox<br />

in Österreich.<br />

Im Thule-Netz gibt es unterschiedliche Kommunikationsebenen,<br />

die den Teilnehmern verschiedene Sicherheitsstufen<br />

bieten. Ein einheitliches Verschlüsselungsverfahren<br />

soll die Sicherheit von privaten Nachrichten gewährleisten.<br />

Seit 8. Juli ist das Thule-Netz mit einer eigenen Domain<br />

im „www“ vertreten, während es bislang keine direkte<br />

Anbindung an das Internet gab. Neben umfangreichen Informationen<br />

zum Thule-Netz und dessen einzelnen Mailboxen<br />

werden u. a. Ausführungen über die Nutzung der<br />

Verschlüsselungssoftware „Pretty Good Privacy“ (PGP)<br />

angeboten. Automatisierte Weiterleitungen zu weiteren<br />

Datenfundstellen („links“) knüpfen Verbindungen zu<br />

anderen rechtsextremistischen Organisationen und Projekten.<br />

Die über einen außerhalb Deutschlands tätigen<br />

Provider eingerichtete Domain wird von dem Betreiber<br />

der Mailbox Janus BBS unter dem Pseudonym „Thorin<br />

Eichenschild“ betreut.“ 141<br />

Der Zeuge Forster bezeichnete V in seiner ersten<br />

Vernehmung als eine der zentralen Figuren des THULE-<br />

Netzes, die dieses aufgebaut habe. Eine steuernde Person<br />

wie diese hätte man nie als V-Mann geführt. 142 In seiner<br />

zweiten Vernehmung korrigierte der Zeuge Forster seine<br />

Aussage bezüglich der V-Mann-Eigenschaft und betonte,<br />

135 Hegler, 23.10.2012, S. 47.<br />

136 Dr. Beckstein, 11.06.2013, S. 71.<br />

137 Röpke, 27.11.2012, S. 37.<br />

138 Verfassungsschutzbericht Bayern 1996, S. 60 f.<br />

139 Akte 141, Bl. 289.<br />

140 Akte 141, Bl. 289.<br />

141 Verfassungsschutzbericht 1996, S. 72.<br />

142 Forster, 09.10.2012, S. 14 (VS-Geheim).

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