Schlussbericht (Drs. 16/17740) - Bayerischer Landtag
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Seite 96 <strong>Bayerischer</strong> <strong>Landtag</strong> • <strong>16</strong>. Wahlperiode Drucksache <strong>16</strong>/<strong>17740</strong><br />
Die Befugnis in Ziffer 2 war bereits in der früheren Fassung<br />
des BKAG enthalten.<br />
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung im Rahmen der<br />
Novellierung des BKAG sah eine Erweiterung vor, wonach<br />
nicht mehr der Bundesminister, sondern das<br />
Bundesministerium des Innern die Anordnung trifft (BR-<strong>Drs</strong>.<br />
94/95, S. 5).<br />
Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme daraufhin die<br />
komplette Streichung der<br />
Regelung gefordert und betont, dass die Anordnung einen<br />
massiven Eingriff in die Länderhoheit darstellt (BT-<strong>Drs</strong>.<br />
13/1550, S. 43).<br />
Der Rechtsausschuss des Bundestages hat den ursprünglichen<br />
Gesetzentwurf abgeändert und die jetzige Fassung beschlossen.<br />
Er hat zwar darauf hingewiesen, dass in der Vergangenheit<br />
von der Befugnis nur sehr zurückhaltend Gebrauch gemacht<br />
worden sei, aber keine Veranlassung zur Streichung gesehen<br />
(BT-<strong>Drs</strong>.13/7208, S. 40).<br />
Schwerwiegenden Gründe im Sinn des § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr.<br />
2 BKAG liegen nach einer Kommentarauffassung (Ahlf/<br />
Daub/Lersch/Störzer, BKAG, § 4, Rn. 19; die Kommentatoren<br />
waren bei Erstellung ausnahmslos im BKA bzw. im<br />
BMI tätig) dann vor, wenn durch die beabsichtigte Strafverfolgung<br />
Bundesbelange in besonderer Weise berührt werden.<br />
Der Grund dafür kann in der Schwere der Tat, in den Besonderheiten<br />
der (vermuteten) Täterschaft oder in den Auswirkungen<br />
liegen.<br />
Die Entscheidung trifft der Bundesinnenminister unter Abwägung<br />
aller Belange, einschließlich der Länderinteressen.<br />
Die Verfassungsmäßigkeit der Bundeskompetenz in § 4 Abs.<br />
2 Satz 1 Nr. 2 BKAG wird in der Literatur zum Teil angezweifelt<br />
(Lisken/Denniner, Handbuch des Polizeirechts, Kap. C,<br />
Rn. 151, m.w.N.).<br />
Für eine nähere Prüfung dieser Frage wäre die Einbindung<br />
des Sachgebiets IA1 erforderlich.<br />
Folgende Gesichtspunkte sind im Zusammenhang mit der<br />
Anschlagserie auf türkische Ladenbesitzer zu berücksichtigen:<br />
• besondere Schwere der Taten;<br />
• kontinuierliches Vorgehen des Täters bzw. der Täter über<br />
einen umfassenden Zeitraum;<br />
• Tatorte liegen in verschiedenen Bundesländern;<br />
• besondere Medienwirksamkeit, die vom Täter wohl auch<br />
beabsichtigt ist;<br />
• Drohpotential für Personen, die zur Gruppe potentieller<br />
Tatopfer gehören;<br />
• Mutmaßlicher Auslandsbezug;<br />
• Notwendigkeit eines intensiven Informationsaustausches<br />
zwischen allen beteiligten Dienststellen.<br />
Ob diese Aspekte allerdings ausreichen, um die Annahme<br />
schwerwiegender Gründe im Sinn des § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2<br />
B KAG zu rechtfertigen, ist eine Frage der Abwägung.<br />
Dem könnten folgende Aspekte entgegengehalten werden:<br />
• Schwere des Eingriffs in die Länderhoheit und die Länderkompetenz;<br />
• § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BKAG stellt eine Ausnahmeregelung<br />
dar, die vor dem Hintergrund des Verfassungsgrundsatzes<br />
des länderfreundlichen Verhaltens des Bundes eng zu<br />
interpretieren ist;<br />
• reibungslose Kooperation zwischen den ermittlungsführenden<br />
Dienststellen der Ländern und dem BKA;<br />
• Schwerpunkt der Ermittlungen vor Ort durch zuständige<br />
Ermittlungsdienststellen zu führen (Aufklärung nicht „von<br />
oben nach unten“);<br />
• Fachkompetenz der Ermittlungsdienststellen der Länder<br />
im Vordergrund;<br />
• bislang keine ausreichend gewichtigen Besonderheiten<br />
der (vermuteten) Täterschaft zu konkretisieren;<br />
• Auswirkungen der Taten auf die betroffenen Rechtsgüter<br />
rechtfertigen keine bundespolizeilichen Initiativen (keine<br />
Rechtsgüter mit besonderem Bundesbezug, vergleichbar den<br />
in § 4 Abs. 1 BKAG genannten, berührt);<br />
• auch sonst sind Bundesbelange nicht besonders berührt.<br />
Zur Beurteilung der Zulässigkeit einer Anordnung müssen<br />
die Gesamtumstände vom Bundesinnenminister abgewogen<br />
werden. Es erscheint im Rahmen der hier nur möglichen<br />
kursorischen Prüfung einerseits nicht zwingend geboten,<br />
schwerwiegende Gründe im Sinn des § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2<br />
BKAG anzunehmen, auf der anderen Seite aber auch nicht<br />
unvertretbar.<br />
Maßgeblich ist die Gewichtung der oben dargelegten Belange<br />
im Entscheidungszeitpunkt.<br />
3.<br />
Die für die Strafrechtspflege und die Polizei zuständigen<br />
obersten Landesbehörden sind nach § 4 Abs. 3 BKAG unverzüglich<br />
zu benachrichtigen, ebenso die zuständigen Landeskriminalämter<br />
und der Generalbundesanwalt bzw. die<br />
Generalstaatsanwälte, in deren Bezirken ein Gerichtsstand<br />
begründet ist. Rechtsfolge der Übernahme ist, dass das<br />
Bundeskriminalamt den zuständigen Landeskriminalämtern<br />
Weisungen für die Zusammenarbeit geben kann (§ 4 Abs. 4