Schlussbericht (Drs. 16/17740) - Bayerischer Landtag
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Drucksache <strong>16</strong>/<strong>17740</strong> <strong>Bayerischer</strong> <strong>Landtag</strong> • <strong>16</strong>. Wahlperiode Seite 121<br />
OFA entsandt. Eine Medienstrategie sollte entwickelt und<br />
eine vergleichende Fallanalyse zwischen der Mordserie und<br />
dem Nagelbombenattentat in Köln vorgenommen werden.<br />
Am 07.07.2006 erfolgte ein Arbeitsgespräch der BAO Bosporus<br />
mit Mitarbeitern des Landesamts für Verfassungsschutz<br />
in Nürnberg. Laut Besprechungsprotokoll wurde<br />
den Mitarbeitern des Landesamts für Verfassungsschutz der<br />
Denkansatz der Einzeltheorie dargelegt unter der Maßgabe,<br />
dass es sich aufgrund der ausländischen Mordopfer möglicherweise<br />
um eine Tat mit fremdenfeindlichem Hintergrund<br />
oder um einen oder mehrere Täter aus der rechtsextremistischen<br />
Szene handeln könnte. 721 Von den Mitarbeitern des<br />
Landesamts für Verfassungsschutz konnten keine Personen<br />
mit einem begründeten Tatverdacht belegt und genannt<br />
werden. Zudem wurde vermerkt, dass in der vom Landesamt<br />
für Verfassungsschutz beobachteten rechten Szene nicht<br />
über die Mordserie gesprochen wurde.<br />
Am 12.07.2006 nahm der Zeuge Pfister laut Aktenvermerk<br />
erstmals Kontakt mit dem Landesamt für Verfassungsschutz<br />
auf, um staatsschutzrelevante Daten zurückgehend bis in das<br />
Jahr 2000 anzufordern. 722<br />
Am 20.07.2006 erklärte das Landesamt für Verfassungsschutz<br />
telefonisch gegenüber der BAO Bosporus, dass<br />
nach Rücksprache mit der Rechtsabteilung bzw. eine Datenübermittlung<br />
in dem angefragten Umfang nicht möglich<br />
sei. Begründet wurde dies damit, dass für den angefragten<br />
Zeitraum, also zwischen 1995 — 2002, etwa zwischen 3000<br />
bis 3500 personenbezogene Datensätze vorhanden sind. Für<br />
die als offen verwertbaren Unterlagen bestanden keine Bedenken<br />
einer Übermittlung. 723<br />
Der Zeuge MÄHLER erklärte, er habe darüber hinaus im<br />
Herbst 2006 auf einer OK-Dienststellenleiterbesprechung<br />
den neuen Ermittlungsansatz der OFA seinen Kollegen<br />
aus dem Landesamt für Verfassungsschutz vorgestellt. Er<br />
erinnerte sich daran, einem Kollegen des Landesamts für<br />
Verfassungsschutz darum gebeten zu haben, diesen neuen<br />
Ermittlungsansatz auch an andere Landesämter für Verfassungsschutz<br />
weiterzuleiten. Dies sei die übliche Praxis gewesen.<br />
724<br />
Der Zeuge PFISTER hat angegeben, im zweiten Halbjahr<br />
2006 mindestens einmal pro Monat bei seinem Ansprechpartner<br />
im Landesamt für Verfassungsschutz angerufen und<br />
sich erkundigt zu haben, wann die von der BAO Bosporus<br />
gewünschten Daten übermittelt werden können. 725<br />
Am 04.12.2006 fand ein weiteres Telefonat zwischen der<br />
BAO Bosporus und dem Landesamt für Verfassungsschutz<br />
statt. Laut Aktenvermerk des Mitarbeiters der BAO Bosporus,<br />
Pfister, hat das Landesamt für Verfassungsschutz<br />
mitgeteilt, dass die Daten der Polizei nicht zur Verfügung<br />
gestellt werden dürften, da die Anfrage nicht konkret genug<br />
gewesen wäre und eine Gefährdung von „Quellen“ nicht<br />
ausgeschlossen werden könne. Dem Vermerk zufolge hat der<br />
Zeuge PFISTER daraufhin dem Landesamt für Verfassungsschutz<br />
nochmals den Einzeltäteransatz mit den Erläuterungen<br />
zum Täterprofil, also Alter, geografische Ableitung,<br />
Zugehörigkeit/Ausstieg aus der rechten Szene vorgetragen.<br />
Das Landesamt für Verfassungsschutz sei vom Zeugen<br />
PFISTER darauf hingewiesen worden, dass die Anfrage aus<br />
Sicht der BAO Bosporus konkret und genau definiert sei.<br />
Der Aktenvermerk enthält folgende wörtliche Aussage:<br />
„Letztlich wird durch die Absage die Vermutung des Unterzeichners<br />
verstärkt, dass das Bayer. LfV die Herausgabe<br />
von Personendaten eher deshalb verneint, da man davor zurückschreckt,<br />
durch die Herausgabe von Personalien auch<br />
Quellen mitzuteilen.“<br />
Laut dem Telefonvermerk konnte dem Landesamt für Verfassungsschutz<br />
letztlich nur das Einverständnis abgerungen<br />
werden, zumindest die Daten der beim Landesamt für Verfassungsschutz<br />
bekannten Skinheads im Zeitraum 1995 bis<br />
2002 mitzuteilen. 726 Diese Broschüren zur Skinheadszene,<br />
mit Informationen zu den Jahren 1997, 1998, 1999/2000,<br />
2001, 2002 und 2003, wurden der BAO Bosporus am<br />
14.12.2006 übergeben. 727<br />
Am 22.12.2006 wurde der Leiter der BAO Bosporus, Herr<br />
GEIER, durch den Leiter des Ermittlungsansatzes Einzeltäter<br />
über die ablehnende Haltung des Landesamts für Verfassungsschutz<br />
zur Datenübermittlung informiert. Vor dem<br />
Untersuchungsausschuss berichtete der Zeuge GEIER, dass<br />
sich sein Mitarbeiter sinngemäß mit der Aussage „Da geht<br />
nichts mehr. Die blockieren, die mauern.“ 728 an ihn gewandt<br />
habe. Der Zeuge GEIER habe daraufhin persönlich mit dem<br />
Landesamt für Verfassungsschutz telefoniert. Es wurde vereinbart,<br />
dass die BAO Bosporus ihre Anfrage schriftlich an<br />
das Landesamt für Verfassungsschutz übersenden sollte.<br />
Diese Anfrage erfolgte mit Schreiben vom 28.12.2002. Die<br />
Anfrage der BAO Bosporus enthält eine umfassende Schilderung<br />
des Sachverhalts, stellt den Ermittlungsansatz „Einzeltäter“<br />
detailliert dar und endet mit einem Auskunftsersuchen,<br />
das wörtlich lautet:<br />
„Aufgrund des dargestellten Ermittlungsansatzes wird gebeten,<br />
die beim BLfV im Zeitraum 1995 bis 2002 bekannten<br />
Rechtsextremisten, Neonazis, NPD-Mitglieder und Skinheads<br />
für den Großraum Nürnberg mitzuteilen. Die Auskunft<br />
sollte sich nicht nur auf die angeführten Geburtsjahre 1960<br />
bis 1982 und das Geschlecht männlich beschränken. Liegen<br />
Erkenntnisse zu örtlich und zeitlich fallverbindenden Ereignissen/Veranstaltungen,<br />
abzielend auf die Mobilität des/der<br />
Täter, vor?“ 729<br />
721 Akte Nr. 8/BY-4/3_Anlagen/1 Aktenordner PP Mittelfranken, Bl. 54 f.<br />
722 Akte Nr. 8/BY-4/3_Anlagen/1 Aktenordner PP Mittelfranken, Bl. 52.<br />
723 Akte Nr. 8/BY-4/3_Anlagen/1 Aktenordner PP Mittelfranken, Bl. 58.<br />
724 Mähler, 06.03.2013, S. 20 f.<br />
725 Pfister, 21.03.2013, S. 13.<br />
726 Akte Nr. 8/BY-4/3_Anlagen/1 Aktenordner PP Mittelfranken, Bl. 59 f.<br />
727 Akte Nr. 8/BY-4/3_Anlagen/1 Aktenordner PP Mittelfranken, Bl. 61.<br />
728 Geier, 20.02.2013, S. 49.<br />
729 Akte Nr. 8/BY-4/3_Anlagen/1 Aktenordner PP Mittelfranken, Bl. 63-<br />
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