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Schlussbericht (Drs. 16/17740) - Bayerischer Landtag

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Drucksache <strong>16</strong>/<strong>17740</strong> <strong>Bayerischer</strong> <strong>Landtag</strong> • <strong>16</strong>. Wahlperiode Seite 31<br />

Die „Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front“ sei gegründet<br />

und getragen worden von der Gruppe um Michael<br />

Kühnen, von Christian Worch, der bis heute aktiv sei, Arnulf<br />

Winfried Priem aus Berlin, Gottfried Küssel, einem Nationalsozialisten<br />

der harten Klasse aus Österreich, Michael<br />

Petri und von Kai D.<br />

Die „Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front“, wesentlich<br />

von Michael Kühnen organisiert, habe sich in den 80er Jahren<br />

von der NPD abgelöst, weil diese zu bieder erschienen sei.<br />

Die Mitglieder der Gesinnungsgemeinschaft hätten nämlich<br />

etwas gewollt, was sie selbst als „Zweite Revolution“ beschrieben<br />

hätten. Dann zitierte der Sachverständige Funke<br />

aus einem Dokument, das von Michael Kühnen selbst überliefert<br />

sei. Darin heiße es nach Verweis auf das 20-Punkte-<br />

Programm der NSDAP und den Text „Mein Kampf“:<br />

„Die zweite Revolution: Unser Ziel ist die nationalsozialistische<br />

Revolution, aus der das Vierte Reich und eine art- und<br />

naturgemäße neue Ordnung für die weiße Rasse hervorgehen<br />

wird. Um das zu erreichen, sind in der jetzigen Kampfzeit<br />

verschiedene Zwischenziele anzustreben und zu verwirklichen:<br />

Überwindung des NS-Verbotes, Neugründung der<br />

NSDAP, Staatsreform, Vereinigung aller geschlossen siedelnden<br />

Deutschen in einem einheitlichen, souveränen und<br />

sozialistischen Großdeutschland.“<br />

Nach der Interpretation des Sachverständigen Funke beziehe<br />

er sich hier auf die Idee der „Zweiten Revolution“, die von<br />

der SA und anderen angestrebt worden sei, nachdem Hitler<br />

die Macht errungen hatte, also eine weitere revolutionäre<br />

Bewegung nach dem Sieg Hitlers am 30. Januar 1933. Richtigerweise<br />

– empirisch beobachtet – hätten Kühnen und<br />

andere gesagt: Wir sind heute noch nicht so weit für unser<br />

Viertes Reich. Wir sind in der „Kampfzeit“.<br />

In dem Bericht der Schäfer-Kommission finde man auf Seite<br />

43 eine Abbildung mit Dienel in der Mitte, Schwerdt links<br />

und Kai D. rechts.<br />

Organisiert von Kadern um Kai D. – Martin Wiese, Norman<br />

Bordin, Gerhard Ittner, Dehoust, Worch, in Nürnberg zeitweise<br />

Ollert, in München Jürgen Schwab, Karl Richter<br />

sowie, aus der jüngeren Generation, Matthias Fischer, den<br />

zeitweilig in Coburg lebenden Tino Brandt und eine Reihe<br />

weiterer habe sich auch in Bayern im Kontakt mit Thüringern<br />

das entwickelte Netz bestimmt.<br />

Im „Blick nach Rechts“ werde betont, dass Kai D. ab 1994/95<br />

regelmäßig an Stammtischen der späteren Rechtsterroristen<br />

und am Aufbau rechtsextremer Strukturen teilgenommen<br />

habe und dies als bayerischer V-Mann.<br />

Als das NPD-Organ „Deutsche Stimme“ auf die mögliche<br />

V-Mann-Rolle von Kai D. hingewiesen habe, habe Christian<br />

Worch eben diesen verteidigt. Kai D. habe über Jahre zu<br />

den führenden Köpfen des „Aktionskomitees Rudolf Heß“<br />

gehört. Man habe sich am 17. August 1996 in Worms mit<br />

dem sogenannten „Trio“ getroffen. Auch der heutige NPD-<br />

Bundesvorsitzende Holger Apfel sei mit Kai D. zusammen<br />

getroffen. Der Sachverständige Funke gab an, dass er Kai D.<br />

deswegen besonders erwähne, weil er zugleich eine zentrale<br />

Rolle als V-Mann gehabt habe, bis er abgeschaltet worden<br />

sei. Er sei der Ältere im Vergleich zu Tino Brandt gewesen.<br />

Tino Brandt habe von ihm gelernt und sei dann ein tüchtiger<br />

Nachfolger geworden – über eine lange Zeit.<br />

Es gebe also ein einigermaßen klares Bild. Die 90er Jahre<br />

seien nicht nur für den gewalttätigen Rechtsextremismus in<br />

den neuen Ländern eine Zeit der ideologischen Radikalisierung<br />

und massiver rassistischer Gewalt gewesen; sie seien es<br />

auch, wenn auch unter anderen Bedingungen, für den Aufschwung<br />

der neonazistischen Gewaltbewegung in Bayern<br />

gewesen, ganz sicher in Ober- und Mittelfranken, aber – wie<br />

soeben beschrieben – auch im Münchner Großraum.<br />

Wichtig sei es noch, die Kontakte und die Kooperation, insbesondere<br />

der Neonazis um Matthias Fischer und anderer<br />

aus Mittel- und Oberfranken, Nürnberg und Coburg, mit den<br />

Thüringer Neonazis und ihrer großen Formation „Thüringer<br />

Heimatschutz“, als eng zu beschreiben. Das würden nicht<br />

nur die Feste in Straubing, sondern auch die Aufmärsche,<br />

nicht zuletzt in Wunsiedel, zeigen. Im letzten Jahrzehnt habe<br />

sich dieses neonazistische Netz in Bayern mit den genannten<br />

Schwerpunkten stabilisiert. Ein Schwerpunkt habe in Nürnberg<br />

gelegen und lange Zeit, ohne zureichenden Widerstand<br />

der Behörden, in Gräfenberg – bis sich in den letzten<br />

Jahren endlich etwas verändert habe, nicht nur durch den<br />

anhaltenden Druck von Medien, sondern auch durch die mit<br />

großer Gefahr für Leib und Leben verbundene Arbeit vor Ort<br />

befindlicher Gruppen. Positive Anzeichen habe es dann auch<br />

von Teilen der Verwaltung gegeben. Es habe eines schwierigen<br />

politischen Prozesses des Druck-Ausübens bedurft,<br />

der bis in die oberste Spitze der Politik hier in München gegangen<br />

sei, ehe es zu einem Schub für mehr Beteiligung der<br />

politischen Elite an der Eindämmung dieser Gefahr für Leib<br />

und Leben in Gräfenberg gekommen sei.<br />

Sachverständige Andrea Röpke: 4<br />

Nach den Ausführungen der Sachverständigen Andrea<br />

Röpke sei Uwe Mundlos 1994 polizeilich erfasst worden,<br />

als er mit einer Gruppe von Neonazis der „Kameradschaft<br />

Jena“ über Chemnitz – dort hätten sie die Kameraden aus<br />

Chemnitz, u. a. Hendrik Lasch, eingesammelt – nach Straubing<br />

fuhr.<br />

Hendrik Lasch sei sehr wichtig, weil er Gründer des größten,<br />

vielleicht wichtigsten rechtsradikalen Musiklabels in der<br />

Bundesrepublik sei: „PC Records“. „PC Records“ sei der<br />

Vertreiber des „Döner-Killer-Songs“ von der Band „Gigi<br />

und die braunen Stadtmusikanten“, von dem immer wieder<br />

gesagt werde, dass es da keinen Zusammenhang mit der<br />

Mordserie gebe.<br />

Sie hätten sich zunächst im „Kleinen Café“ in Straubing getroffen<br />

und seien dann zur Kiesgrube gefahren, um dort zu<br />

4 Andrea Röpke, Diplom-Politologin, freie Journalistin. Präsentation<br />

abrufbar unter www.bayern.landtag.de

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