12.01.2014 Aufrufe

Schlussbericht (Drs. 16/17740) - Bayerischer Landtag

Schlussbericht (Drs. 16/17740) - Bayerischer Landtag

Schlussbericht (Drs. 16/17740) - Bayerischer Landtag

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Drucksache <strong>16</strong>/<strong>17740</strong> <strong>Bayerischer</strong> <strong>Landtag</strong> • <strong>16</strong>. Wahlperiode Seite 51<br />

Die Innenministerkonferenz habe dann am 24.11.2000 die<br />

ganzen Vorschläge des AK II zustimmend zur Kenntnis genommen.<br />

In einer Art fortgeschriebenem Maßnahmenkatalog<br />

sei dann neben diesen Maßnahmen auch die Intensivierung<br />

der Öffentlichkeitsarbeit, die Intensivierung der Fahndungs-<br />

und Kontrollmaßnahmen und die Zusammenarbeit<br />

mit Schulen, und Trägern, Jugend- und Sozialarbeitern und<br />

sonstigen Einrichtungen beschlossen worden. 107<br />

A.1.4. Welche Erkenntnisse hatten das Landesamt für<br />

Verfassungsschutz und ggf. bayerische Polizeibehörden<br />

seit dem Jahr 1994 über die mutmaßlichen Täter der zwischen<br />

2000 und 2007 begangenen Mordanschläge bis zu<br />

deren Untertauchen im Januar 1998 und anschließend<br />

bis zur Festnahme einer mutmaßlichen Mittäterin am<br />

08.11.2011 und über eventuelle Unterstützer und Sympathisanten<br />

in Bayern?<br />

Zu den Erkenntnissen bis 1998 siehe Antworten zu A.1.4.1.<br />

Im Jahr 1998 habe es nach Aussage der Zeugen Forster<br />

und Hegler eine Anfrage des thüringischen Landesamts<br />

für Verfassungsschutz an das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz<br />

nach Erkenntnissen über den Verbleib der<br />

untergetauchten Personen Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe<br />

gegeben. Man habe daraufhin verschiedene Quellen des<br />

Verfassungsschutzes unter Vorlage von Lichtbildern über<br />

den Verbleib der Personen und nach sonstigen Erkenntnissen<br />

über diese Personen befragt. Dabei habe es nur einen<br />

Hinweis auf einen Neonazi aus Rheinland-Pfalz gegeben,<br />

der Beziehungen zu den gesuchten Personen unterhalten<br />

könnte. 108<br />

Der Zeuge Seiler berichtete hierzu, er habe, nachdem eine<br />

schriftliche Anfrage des Landesamts für Verfassungsschutz<br />

Thüringen eingegangen sei, dort Lichtbilder der untergetauchten<br />

Personen angefordert. Diese Lichtbilder seien allen<br />

Quellen, die infrage gekommen seien, also Verbindungen<br />

oder Kontakte im fränkischen Raum oder darüber hinaus<br />

gehabt hätten, vorgelegt worden. Ergebnis sei gewesen, dass<br />

eine Quelle Uwe Mundlos identifiziert und angegeben habe,<br />

dass Mundlos Verbindungen zu der Person Ernst Tag in<br />

Rheinland-Pfalz habe. Diese Erkenntnis sei dann schriftlich<br />

an das Landesamt für Verfassungsschutz Thüringen übermittelt<br />

worden. 109<br />

Der Zeuge Dr. Weber führte aus, dass nach seinem<br />

Wissen spätestens nach dem zweiten Mord, möglicherweise<br />

auch nach dem ersten Mord, beim Landesamt eine Quellenabfrage<br />

erfolgt sei. Das heiße, man habe alle relevanten<br />

Quellen befragt: Habt ihr dazu irgendwas gehört? Habt ihr in<br />

euren Kreisen irgendwelche Informationen vernommen, wer<br />

der Täter sein könnte oder überhaupt, was der Hintergrund<br />

sein könnte? Und bei den drei Bereichen, – linksextremistischer<br />

Terror, also türkischer linksextremistischer Terror, Or-<br />

107 Lenhard, 18.12.2012, S. 73 f.<br />

108 Forster, 09.10.2012, S. 31; Hegler, 23.10.2012 – nicht öffentlich, S.<br />

41.<br />

109 Seiler, 18.12.2012 – geheim, S. 5 (Passage nicht als VS eingestuft).<br />

ganisierte Kriminalität und Rechtsextremismus – seine nur<br />

Fehlmeldungen, also Fehlanzeigen gekommen. 110 Vermerke<br />

über diese Befragungen befinden sich nicht in den Akten.<br />

Der Zeuge betonte auch, dass man aus seiner Sicht aus diesen<br />

rudimentären Informationen, die über andere Personen gelaufen<br />

seien – Kiesgrube oder sonst irgendwas –, man solche<br />

Rückschlüsse auf die drei vom NSU konkret nicht hätte<br />

ziehen können. Denn allein aus der Erkenntnis, dass der A irgendwann<br />

den B treffe und mit dem spreche, und der B dann<br />

fünf Jahre später, ohne dass man wisse, wer der B sei, Leute<br />

ermordet, ohne dass er sich dessen berühme, komme man<br />

weder auf den A noch auf sonst irgendwelche anderen Hinweise.<br />

Nach Ansicht des Zeugen seien das Dinge, die völlig<br />

aneinander vorbeigelaufen seien, die miteinander nichts<br />

Konkretes zu tun haben. Er wies darauf hin, dass man gar<br />

nicht wisse, wann der NSU konkret gegründet worden sei,<br />

wohl nach dem Untertauchen. Vorher hätte es keinen NSU<br />

gegeben, jedenfalls keine Schriftstücke, keine Dokumente,<br />

keine Selbsterklärungen oder sonst etwas. 111<br />

Die Sachverständige Röpke wies auf die Strategie der<br />

Kleinstzellenbildung in der Szene hin. Nach ihrer Wahrnehmung<br />

muss in der Szene durchaus die Existenz des NSU bekannt<br />

gewesen sein, zumindest bei Teilen. Sie schließe das<br />

aus dem Verschicken von Bekennerschreiben. Außerdem<br />

gebe es beim „Weißen Wolf“ dieses Flugblatt „Der Kampf<br />

geht weiter“, diese Geldspende und dieses Bedanken für die<br />

Geldspende. Für sie heiße das, dass einige Gruppen in der<br />

Naziszene dieses Pamphlet vom NSU bekommen hätten.<br />

Einschränken bemerkte die Sachverständige Röpke, dass die<br />

Szene daraus aber erst mal nur entnehmen hätten können,<br />

dass es da eine Untergrundstruktur gäbe, die irgendwie<br />

kämpfe und die Geld habe. 112<br />

Die Sachverständige RÖPKE bezieht sich dabei auf die<br />

Ausgabe Nr. 18, 1/2002 des neonazistischen Magazins „Der<br />

Weisse Wolf – Rundbrief für Kameraden“, in dem es in dessen<br />

Vorwort auf S. 2 unter besonderer graphischer Hervorhebung<br />

„Vielen Dank an den NSU, es hat Früchte getragen ;-) Der<br />

Kampf geht weiter…“ heißt. 113 Nach einer Stellungnahme<br />

des BfV ist ein Exemplar dieser Zeitschrift im Jahr 2002<br />

vom BfV ausgewertet worden. Angesichts des Umstands,<br />

dass der Begriff „NSU“ zum damaligen Zeitpunkt nicht eingeordnet<br />

werden konnte, wurden in diesem Zusammenhang<br />

keine operativen oder sonstigen Maßnahmen ergriffen. 114<br />

Der Zeuge HEGLER hat angegeben, dass dem BayLfV das<br />

entsprechende Exemplar nicht vorgelegen habe. 115<br />

Bereits in der Ausgabe Nr. 4, 1997 hat der mutmaßliche<br />

Mitherausgeber des Magazins, Roland Paschel, einen „Uwe<br />

Memdlos – Jena“ gegrüßt. 1<strong>16</strong> Es liegt nahe, dass damit Uwe<br />

Mundlos gemeint ist, mit dem Paschel, der von Februar 1995<br />

110 Dr. Weber, 19.12.2012, S. 66f.<br />

111 Dr. Weber, 19.12.2012, S. 82.<br />

112 Röpke, 27.11.2012, S. 50 ff.<br />

113 Akte Nr. 387, Bl. 5 (VS-Vertraulich).<br />

114 Akte Nr. 387, Bl. 1 (VS-Vertraulich).<br />

115 Hegler, 23.10.2012, S. 70.<br />

1<strong>16</strong> Akte Nr. 387, Bl. 110.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!