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Schlussbericht (Drs. 16/17740) - Bayerischer Landtag

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Seite 94 <strong>Bayerischer</strong> <strong>Landtag</strong> • <strong>16</strong>. Wahlperiode Drucksache <strong>16</strong>/<strong>17740</strong><br />

Mordserie zu tun gehabt habe. Das Täterpotenzial sei aber<br />

überhaupt nicht abzuschätzen gewesen. Ein Teil der Ermittler<br />

hätte die Ansicht vertreten, dass es sich nicht um Profis gehandelt<br />

haben könnte, wenn diese die gleiche Waffe verwendet<br />

hätten. Andere wiederum hätten daraus geschlossen,<br />

dass die Tatsache derselben Waffe darauf hingedeutet habe,<br />

dass es Profis gewesen sein könnten und durch die Verwendung<br />

derselben Waffe eine Abschreckungswirkung erzeugt<br />

werden sollte. 493<br />

Der Zeuge BOIE gab an, dass der Mordfall Kilic durch die<br />

kriminaltechnischen Feststellungen zur Tatwaffe eine neue<br />

Dimension erhalten habe. Allen Beteiligten sei somit klar gewesen,<br />

dass es sich bei der Tat in München um die vierte Tat<br />

im Rahmen einer Mordserie handelte und dass eine große<br />

Wiederholungsgefahr bestand. Es sei unverzüglich Verbindung<br />

mit den Polizeidienststellen in Nürnberg und Hamburg<br />

aufgenommen worden, die mit den vorausgegangen<br />

Taten befasst waren. Der Zeuge BOIE wies hierbei auf die<br />

Besprechung am 12.09.2001 in Nürnberg hin, in der neben<br />

einem umfassenden Informationsaustausch die federführende<br />

Koordinierung bei der Staatsanwaltschaft Nürnberg<br />

beschlossen worden sei (siehe hierzu auch Frage 3.5). 494<br />

Der Zeuge Dathe führte aus, dass man es vor dem<br />

01.03.2003 nicht für notwendig erachtet habe, die Ermittlungen<br />

in einer einheitlichen Sonderkommission zusammenzuführen,<br />

da der Informationsaustausch zwischen den<br />

Sonderkommission durch Gespräche und Besprechungen<br />

gesichert gewesen sei. Ein Defizit in den Ermittlungen habe<br />

es aus damaliger Sicht nicht gegeben. 495<br />

B.3.11. Welche Maßnahmen sind ergriffen worden, um<br />

die Herkunft der Tatwaffe aufzuklären?<br />

Laut einem Vermerk vom 22.06.2005 wurde bereits im Jahr<br />

2001 im Rahmen der Tätigkeit der Soko „Halbmond“ ein<br />

Tatmunitionsvergleich durch das BKA durchgeführt. Hierbei<br />

wurde ein Zeitraum bis 1990 abgedeckt und die Vergleiche<br />

bis 2005 fortgeführt. Es haben sich keine Übereinstimmungen<br />

zu anderen Straftaten außerhalb der Mordserie ergeben.<br />

496 Aus den Akten und den Aussagen der Zeugen haben<br />

sich hierzu keine weiteren Erkenntnisse ergeben.<br />

B.3.12. Welche Erkenntnisse sprachen dafür, als Täter<br />

der bis dahin vier Mordanschläge eine international agierende<br />

kriminelle Vereinigung zu vermuten?<br />

Nach der Aussage des Zeugen VÖGELER habe man eine<br />

verdeckte Information gehabt, wonach evtl. (Rauschgift-)<br />

Geschäfte mit holländischen und / oder französischen Händlern<br />

zu Auftragsmorden an Enver Simsek und Abdurrahim<br />

Özüdogru geführt hätten. 497<br />

493 Störzer, 05.02.2013, S. 24.<br />

494 Boie, 09.04.2013, S. 70 ff.<br />

495 Dathe, 23.04.2013, S. 7/8.<br />

496 Akte Nr. 8 (DVD)/ohne Beschluss/STMI_Akten/2_Anlagen/1. Übersendung/1.<br />

IC5-11<strong>16</strong>.14-186_Band_2, Blatt 0406 f.<br />

497 Vögeler, 22.01.2013, S. 56 ff, 84 f.<br />

Zudem würde es nach den Angaben des Zeugen WILFLING<br />

eine türkische Drogenmafia mit Sitz in Holland geben, die<br />

ihre Finger „wie eine Krake“ über ganz Europa ausstrecke.<br />

Aus verschiedenen Richtungen sei der Hinweis auf die PKK<br />

gekommen. 498<br />

Laut dem Zeugen KELLER habe es auch Hinweise von Vertrauenspersonen<br />

auf Kontakte in das Wett- oder Glückspielmilieu<br />

gegeben. 499<br />

B.3.13. Lagen die gesetzlichen Voraussetzungen für die<br />

Übernahme der vier Ermittlungsverfahren durch das<br />

BKA vor und falls ja, warum sind die Verfahren<br />

nicht abgegeben worden?<br />

Nach Aktenlage hätte die Möglichkeit zur Schaffung der Voraussetzungen<br />

für die Übernahme durch das BKA bestanden.<br />

Zu den gesetzlichen Voraussetzungen kann hier auf die Ausführungen<br />

im Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission<br />

Rechtsterrorismus vom 30.04.2013 Bezug genommen<br />

werden:<br />

„Als Ermächtigungsgrundlagen kamen §§ 4 Abs. 2 Nr. 2, 18<br />

Abs. 1 BKAG und Nr. 25 ff. RiStBV in Betracht.<br />

§ 4 Abs. 2 Nr. 2 BKAG<br />

§ 4 Abs. 2 BKAG eröffnet dem BKA die Befugnis, die polizeilichen<br />

Aufgaben auf dem Gebiet der Strafverfolgung<br />

selbst wahrzunehmen, wenn<br />

1. eine zuständige Landesbehörde darum ersucht oder<br />

2. der Bundesminister des Innern es nach Unterrichtung der<br />

obersten Landesbehörde aus schwerwiegenden Gründen anordnet<br />

oder<br />

3. der Generalbundesanwalt darum ersucht oder einen Auftrag<br />

erteilt.<br />

Schwerwiegende Gründe i. S. v. § 4 Abs. 2 Nr. 2 BKAG liegen<br />

insbesondere vor, wenn die Schwere der Straftaten, die ungewöhnliche<br />

kriminelle Energie der (vermuteten) Täter und<br />

die Auswirkungen der Straftaten ein öffentliches Interesse an<br />

Ermittlungen durch das BKA begründen.<br />

Die Serie von neun Morden in fünf Bundesländern offenbart<br />

eine besonders hohe kriminelle Energie der Täter.<br />

Die Auswirkungen der Straftaten wiegen bereits deshalb<br />

schwer, weil von den Morden ausschließlich Menschen mit<br />

Migrationshintergrund betroffen waren und die Taten damit<br />

eine besondere politische Bedeutung erhalten.<br />

Aus Sicht der Kommission hätte die Aufgabenwahrnehmung<br />

i. S. v. § 4 Abs. 2 Nr. 2 BKAG auf Anordnung des BMI durch<br />

das BKA erfolgen können oder sogar müssen. (…)<br />

498 Wilfling, 19.02.2013), S. 32.<br />

499 Keller, 05.02.2013, S. 106 f.

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