Schlussbericht (Drs. 16/17740) - Bayerischer Landtag
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Seite 158 <strong>Bayerischer</strong> <strong>Landtag</strong> • <strong>16</strong>. Wahlperiode Drucksache <strong>16</strong>/<strong>17740</strong><br />
<strong>16</strong>. Rechtsextremistische Aktivitäten müssen konsequent<br />
bekämpft, verfolgt und unterbunden werden. Der<br />
Kontrolldruck muss auch im Internet erhöht werden.<br />
17. Die polizeiliche Kriminalstatistik soll zur besseren Erfassung<br />
und Bewertung rechtsextremistisch motivierter<br />
Straftaten stärker ausdifferenziert werden.<br />
18. Die Polizei wird verpflichtet, die Fahndung nach untergetauchten<br />
Rechtsextremisten zu verstärken und<br />
die Zahl der Untergetauchten regelmäßig zu erheben.<br />
19. Bei der Fortbildung von Richtern und Staatsanwälten<br />
muss das Thema „rechtsextremistisch motivierte<br />
Straftaten“ Teil des Standardprogramms werden.<br />
20. Die Staatsregierung wird aufgefordert, in Zusammenarbeit<br />
mit der Beauftragten für die Angehörigen der<br />
Opfer, diesen die ihnen zustehenden Hilfen, auch für<br />
die Beteiligung an dem Verfahren vor dem OLG München,<br />
unbürokratisch zukommen zu lassen.<br />
Unabhängig von den genannten Maßnahmen wird es für erforderlich<br />
gehalten, die Geschichte des BayLfV und insbesondere<br />
die Frage, ob und inwieweit dort Mitarbeiter mit nationalsozialistischer<br />
und antidemokratischer Vergangenheit<br />
tätig waren, von einer unabhängigen Historikerkommission<br />
untersuchen zu lassen und die Personalausstattung bei der<br />
Polizei und den Staatsanwaltschaften so zu verbessern, dass<br />
in vergleichbaren Fällen eine effektive Strafverfolgung gewährleistet<br />
werden kann.<br />
2.4. Strategien gegen Rechtsextremismus<br />
Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und die<br />
Ausgrenzung von Minderheiten bedrohen unsere Gemeinschaft<br />
in den Grundfesten. Wer dieser Gefahr allein mit<br />
einem Ausbau der Sicherheitsbehörden entgegentreten will,<br />
verharmlost oder unterschätzt sie. Nur eine Politik der sozialen<br />
Integration kann im Kampf gegen Rechtsextremismus<br />
erfolgreich sein.<br />
Das „Bayerische Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus“<br />
weist in Konzeption wie Umsetzung erhebliche<br />
Schwächen auf, da ein wirksames Aktionsprogramm<br />
neben repressiven Maßnahmen auch die Unterstützung der<br />
Zivilgesellschaft und den Ausbau der Prävention enthalten<br />
muss.<br />
Nach einer Studie der Universität Leipzig im Auftrag der<br />
Friedrich-Ebert-Stiftung zu „Rechtsextremen Einstellungen<br />
in Deutschland“ sind in Bayern rechtsextreme Einstellungsmuster<br />
so verbreitet wie in kaum einem anderen Bundesland.<br />
Das „Bayerische Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus“<br />
muss nachgebessert werden:<br />
1. Der Kampf gegen Rechtsextremismus muss Chefsache<br />
werden. In der Staatskanzlei wird deshalb eine Stabsstelle<br />
gegen Rechtsextremismus eingerichtet.<br />
2. Auf allen staatlichen und kommunalen Ebenen muss<br />
koordiniert gegen Rechtsextremismus, Rassismus und<br />
Antisemitismus gehandelt werden.<br />
3. Die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus in<br />
der Zivilgesellschaft muss gestärkt werden, weshalb die<br />
bestehenden zivilgesellschaftlichen Initiativen und Einrichtungen<br />
gegen Rechtsextremismus finanziell besser<br />
gefördert werden müssen.<br />
In einem neu aufzulegenden Förder- und Aktionsprogramm<br />
gegen Rechtsextremismus müssen die Mittel zur<br />
„Prävention gegen den Rechtsextremismus“ verstärkt<br />
werden. Die sog. Extremismusklausel in den Richtlinien<br />
der Bundesprogramme „Toleranz fördern – Kompetenz<br />
stärken“ und „Zusammenhalt durch Teilhabe“ ist zum<br />
einen rechtswidrig und zum anderen gefährdet sie den<br />
Kampf gegen Rechtsextremismus. Sie muss deshalb<br />
gestrichen werden.<br />
4. Die Eltern- und Opferberatung muss wie auch in anderen<br />
Bundesländern ausgegliedert und auf Dauer eigenständig<br />
geführt werden. Neben einer Vollzeitstelle für<br />
die Koordination sind mobile Beratungsteams notwendig,<br />
die ausreichend finanziert sein müssen.<br />
5. Zivilgesellschaftlich organisierte Programme, mit denen<br />
der Ausstieg von Neonazis aus der rechtsextremistischen<br />
Szene mit einem niederschwelligen Angebot unterstützt<br />
und begleitet wird, müssen stärker finanziell unterstützt<br />
werden, denn mithilfe des bayerischen Programms, angesiedelt<br />
bei BayLfV, waren seit 2001 lediglich 90 Ausstiege<br />
erfolgreich.<br />
6. Ein weiterer entscheidender Faktor für den erfolgreichen<br />
Kampf gegen Rechtsextremismus ist die Förderung<br />
der öffentlichen Auseinandersetzung. Das Bundesverfassungsgericht<br />
hat in seinem Beschluss vom 04.11.2009<br />
(1 BvR 2150/08) die besondere Rolle zivilgesellschaftlichen<br />
Engagements gegen Rechtsextremismus hervorgehoben:<br />
„Den hierin begründeten Gefahren entgegenzutreten,<br />
weist die freiheitliche Ordnung des Grundgesetzes<br />
primär bürgerschaftlichem Engagement im freien<br />
politischen Diskurs sowie der staatlichen Aufklärung und<br />
Erziehung in den Schulen gem. Artikel 7 GG zu.“<br />
7. Die Staatsregierung muss die Kommunen im Kampf<br />
gegen Rechts unterstützen und zusammen mit den kommunalen<br />
Spitzenverbänden einen Handlungsleitfaden<br />
erstellen, der den Kommunen Orientierungshilfen bietet,<br />
wie sie den unterschiedlichen rechtsextremen Aktivitäten<br />
(z.B. Anmieten von Gebäuden, Versammlungsanmeldungen)<br />
begegnen können. Insbesondere im peripheren, von<br />
Abwanderung betroffenen ländlichen Raum dürfen keine<br />
Lücken entstehen, die von Rechtsextremisten für ihre<br />
„Raumergreifungsstrategien“ genutzt werden könnten.<br />
8. Die Politische Bildungsarbeit und Demokratieerziehung<br />
ist zu stärken. Schulen müssen zu Orten lebendi-