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Schlussbericht (Drs. 16/17740) - Bayerischer Landtag

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Seite 32 <strong>Bayerischer</strong> <strong>Landtag</strong> • <strong>16</strong>. Wahlperiode Drucksache <strong>16</strong>/<strong>17740</strong><br />

feiern. Man habe gefeiert, bis die Polizei gekommen sei, weil<br />

Hitlergrüße gezeigt und weil das Lied von der Band „Tonstörung“<br />

mit dem Titel „Blut muss fließen“ gespielt worden sei.<br />

So habe es ein Polizeieinsatzleiter notiert, der selbst zugehört<br />

habe. In dem Lied habe es geheißen:<br />

„Lasst die Messer flutschen in den Judenleib. In die Parlamente<br />

werft die Handgranaten rein. Blut muss fließen knüppelhageldick.<br />

Und wir scheißen auf die Freiheit dieser Judenrepublik.“<br />

Dieses Lied – unter anderen – sei laut Erkenntnissen der Polizei<br />

abgespielt worden. Es habe Ermittlungsverfahren, u.<br />

a. gegen Uwe Mundlos und Hendrik Lasch, gegeben. Uwe<br />

Mundlos habe sich wie alle geäußert: Demnach hätten alle<br />

sieben bis acht Bier getrunken, sodass sie nicht mehr zurechnungsfähig<br />

gewesen seien. Herr Lasch, der Musikproduzent<br />

der ersten Stunde, der heute noch mit „PC-Records“ und<br />

„Backstreetnoise“ die Szeneläden in Chemnitz im Hintergrund<br />

betreibe, habe sich damit herausgeredet, er habe mit<br />

rechten Inhalten und vor allen Dingen mit rechter Musik<br />

überhaupt nichts zu tun und auch keine Ahnung davon. Daraufhin<br />

habe man ihm das so geglaubt und das Verfahren<br />

eingestellt.<br />

Die „Kameradschaft Jena“ sei damals Schwerpunktpolitisierungs-<br />

bzw. Radikalisierungsbereich von Uwe Mundlos,<br />

Beate Zschäpe und Uwe Böhnhardt, angeführt von André<br />

Kapke und Ralf Wohlleben, gewesen. Die „Kameradschaft<br />

Jena“ habe in den 90er Jahren an einem Kameradschaftsabend<br />

in Nürnberg teilgenommen. Laut Polizeiprotokollen<br />

seien neben Frau Zschäpe, Herrn Böhnhardt und Herrn<br />

Mundlos auch Wohlleben und Herr Kapke, also die Führungsebene<br />

der „Kameradschaft Jena“, nach Franken gereist.<br />

1996 habe es in Aschaffenburg in Unterfranken einen<br />

Gedenkmarsch gegeben, an dem wiederum Wohlleben,<br />

Mundlos, Böhnhardt und Kapke teilgenommen hätten.<br />

Markant seien die Strukturen in Aschaffenburg bzw. in Unterfranken<br />

gewesen, die sicherlich auch eine Rolle spielen<br />

würden. In diesem Zusammenhang sei Falko Schüßler<br />

wichtig. Er sei einer der Anführer aus dem Bereich der „Freiheitlichen<br />

Arbeiterpartei Deutschlands“. Schüßler habe die<br />

Sachverständige bei den Franco-Feierlichkeiten in Madrid<br />

selbst erlebt; er sei dort als deutscher Nazi in SA-Uniform<br />

aufgetreten. Das sei für die Sachverständige eines der anfänglichen<br />

Schlüsselerlebnisse gewesen, was das Bild eines<br />

bayerischen Nazis angehe.<br />

Einer der größten Aufmärsche der Neonaziszene habe 1997<br />

in München stattgefunden. Dort habe sich alles getummelt,<br />

was in der Szene Rang und Namen gehabt habe. Es sei nicht<br />

verwunderlich, dass Mundlos dabei gewesen sei. Er hätte<br />

der Polizei oder dem Staatsschutz auffallen können, weil er<br />

eine Fahne getragen habe. Das beobachte man auch heute<br />

bei Aufmärschen der Neonazis und werde von den Staatsschutzbeamten<br />

der Polizei auch registriert. 1997 hätten im<br />

Gegenzug Aktivisten der „Fränkischen Aktionsfront“ die<br />

Szenekneipe des „Thüringer Heimatschutzes“ besucht. Die<br />

„Kameradschaft Jena“ habe sich mittlerweile dem „Thüringer<br />

Heimatschutz“ untergeordnet, der von dem V-Mann<br />

des Landesamtes für Verfassungsschutz Thüringen, Tino<br />

Brandt, angeführt worden sei. Eine Kneipe in Heilsberg habe<br />

bis vor wenigen Jahren immer noch als Treffpunkt im Bereich<br />

Saalfeld-Rudolstadt fungiert.<br />

Die Neonazis hätten nicht diese Ländergrenzen, wie wir sie<br />

wahrnehmen würden. Tatsächlich gebe es einen regen Austausch.<br />

Bei Schulungsveranstaltungen, Aufmärschen und<br />

Konzerten habe es wie selbstverständlich immer den Austausch<br />

gegeben, vor allem zwischen fränkischen und südthüringischen<br />

Neonazis.<br />

1997 habe Beate Zschäpe an einer Veranstaltung mit dem<br />

ehemaligen Vorsitzenden der „Republikaner“, Schönhuber,<br />

in Schönbrunn teilgenommen. Quelle für diese Angabe sei<br />

der Neonazi Patrick Wieschke, der gegenüber der Polizei<br />

diese Aussage machte und dabei auch ganz stolz verkündet<br />

habe, der „Thüringische Heimatschutz“ habe damals auch<br />

den Ordnerdienst gestellt.<br />

Man sehe es immer wieder: der „Thüringische Heimatschutz“<br />

als Vorbild für die bayerischen Nazis, die Aktionsfronten<br />

als Vorbild für die thüringischen Nazis.<br />

1998 sei es zur Flucht der drei gekommen. Tatsächlich sei<br />

die Flucht ermöglicht worden. Uwe Böhnhardt hätte eigentlich<br />

schon im Gefängnis sein und eine Haftstrafe antreten<br />

müssen; es habe schon eine Strafvollstreckung gegen ihn<br />

vorgelegen.<br />

Es habe Hausdurchsuchungen gegeben, und es seien drei<br />

Garagen durchsucht worden, die u. a. auf Beate Zschäpe angemietet<br />

gewesen seien. Dabei seien auch 1,4 Kilogramm<br />

TNT sowie ein Rucksack gefunden worden. Dieser Rucksack,<br />

in den schon alles für die Flucht eingepackt gewesen<br />

sei, sei Uwe Mundlos zugeordnet worden. Es sei zudem ein<br />

Telefonbuch mit 35 Namen gefunden worden.<br />

Im Grunde genommen hätten die LKA-Beamten schon<br />

damals – bevor der internationale Haftbefehl gegen die drei<br />

ausgestellt worden sei, bevor sie nur hundert Kilometer<br />

weiter über die Landesgrenze nach Sachsen gefahren seien,<br />

zu den Leuten, die ihnen ohnehin vertraut gewesen seien –<br />

das „Who‘s who“ der Helfer gefunden.<br />

In diesem Telefonbuch habe ein Großteil der Namen der<br />

Neonazis, die dann auch tatsächlich als Helfer fungiert<br />

hätten, gestanden. Die Helfer hätten dafür gesorgt, dass ab<br />

1998 dreizehn Jahre lang das sogenannte „Leben im Untergrund“<br />

erst möglich geworden sei.<br />

In dem Telefonbuch seien u. a. die Straubinger aufgetaucht:<br />

der Neonazi, der in der Straubinger Kiesgrube die Party organisiert<br />

habe, das „Kleine Café“ und vor allem der Name Kai<br />

D., also Kai Dalek. Die Sachverständige habe Kai Dalek in<br />

ihren ersten Jahren als Fachjournalistin bei Neonaziaufmärschen<br />

kennengelernt – als Drahtzieher, als Macher, als denjenigen,<br />

der von hinten heraus eine ganz wichtige, autoritäre<br />

Funktion in diesen Strukturen gehabt habe. Kai Dalek sei

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