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Schlussbericht (Drs. 16/17740) - Bayerischer Landtag

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Drucksache <strong>16</strong>/<strong>17740</strong> <strong>Bayerischer</strong> <strong>Landtag</strong> • <strong>16</strong>. Wahlperiode Seite 59<br />

der zuständigen Ministerien, der Staatskanzlei und der<br />

politischen Entscheidungsträgerinnen und -träger vor<br />

dem Beginn der Mordanschläge im September 2000 in<br />

Bayern und welche diesbezüglichen Erkenntnisse haben<br />

sie seither und zu welchem Zeitpunkt gewonnen?<br />

Erkenntnisse vor 2000:<br />

Laut den bayerischen Verfassungsschutzberichten waren bis<br />

zum Jahr 2000 rechtsterroristische Ansätze und Strukturen in<br />

Bayern nicht feststellbar. Die Berichte der Jahre 1995, 1996,<br />

1997 und 2000 weisen allerdings darauf hin, dass in neonazistischen<br />

Kreisen über militante Verhaltensweisen und über<br />

die Anwendung von Gewalt diskutiert wurde 195 .<br />

Der Zeuge DR. REMMELE gab an, dass die zunehmende<br />

Gewaltbereitschaft und Militanz in der rechtextremistischen<br />

Szene erkannt wurde. Besorgnis hätten auch Waffenfunde<br />

erregt. Allerdings hätten sich im Ergebnis keine Hinweise<br />

auf rechtsterroristische Strukturen in Bayern ergeben. 196<br />

Das Konzept des „führerlosen Widerstandes“ war nach den<br />

Aussagen der Zeugen FORSTER 197 , HEGLER 198 , DR.<br />

REMMELE 199 und DR. KÖRNER 200 beim Verfassungsschutz<br />

bekannt. Der Zeuge SAGER räumte auf Nachfrage<br />

aber ein, dass ihm die Begriffe „führerloser Widerstand“,<br />

„Blood & Honour“ und „Combat 18“ nicht bekannt seien.<br />

Auch den Zeugen WILFLING 201 und PFISTER 202 waren die<br />

Begriffe nicht bekannt.<br />

Der Zeuge FORSTER sagte hierzu aus, dass diese Strategie<br />

des „führerlosen Widerstandes“ in die Überlegungen des<br />

Amtes einbezogen worden sei. Dabei sei versucht worden,<br />

diese Zusammenschlüsse bzw. Kameradschaften, die ohne<br />

irgendwelche Strukturen agieren, möglichst zu beobachten<br />

und jemanden dort zu platzieren, um die Entwicklungen beobachten<br />

zu können. Der Zeuge FORSTER bestätigte auf<br />

Nachfrage, dass das Landesamt für Verfassungsschutz das<br />

Konzept des „führerlosen Widerstandes“ für ein problematisches<br />

sicherheitsrelevantes Konzept gehalten habe. Die<br />

Polizei sei über solche Entwicklungen bei den Staatsschutztagungen<br />

und durch Referate von Mitarbeitern des Landesamts<br />

für Verfassungsschutz informiert worden. Solche Informationen<br />

seien auch ins Ministerium gegeben worden. 203<br />

Zeuge Dr. KÖRNER stellte hierzu fest, dass es Konzepte des<br />

„führerlosen Widerstands“ schon seit den Siebzigerjahren<br />

gegeben habe, die immer wieder einmal aufgeflammt seien.<br />

Allerdings seien damals außerhalb von „Blood & Honour“<br />

entsprechende Konzepte nicht in besonders starkem Maße in<br />

Umlauf gewesen. 204<br />

Zeuge FORSTER führte ferner aus, dass das Landesamt für<br />

Verfassungsschutz die Gefahr gewalttätiger rechtsextremistischer<br />

Angriffe immer gesehen habe. Beispielhaft verwies<br />

Zeuge FORSTER auf folgende Passage im Verfassungsschutzbericht<br />

des Jahres 2000:<br />

„Obwohl in Bayern derzeit keine Erkenntnisse vorliegen,<br />

dass Rechtsextremisten Waffen und andere Kampfmittel gezielt<br />

für Gewalttaten beschaffen, ist dies kein Anlass zur Entwarnung.<br />

Die Beschaffung und der Besitz von Schusswaffen<br />

generell durch gewaltbereite Rechtsextremisten sind Warnsignale<br />

Dies gilt umso mehr, als in den vergangenen Monaten<br />

Äußerungen, die Gewalt zur Durchsetzung politischer<br />

Ziele rechtfertigen, zugenommen haben. Entsprechenden<br />

Hinweisen muss deshalb besonders intensiv nachgegangen<br />

werden.“<br />

Die latente Gefahr habe das Landesamt für Verfassungsschutz<br />

durch die Diskussionen und vorhandenen Waffen seit<br />

Anfang der 1990er Jahre erkannt. Allerdings habe man nie<br />

eine Struktur oder Organisation wie die RAF gefunden, so<br />

Zeuge FORSTER weiter 205 .<br />

Zeuge WINGERTER berichtete hierzu, dass es in der rechtsextremistischen<br />

Szene zu allen Zeiten Einzelpersonen gegeben<br />

habe, die auch für Gewaltanwendung eingetreten<br />

seien. Ein größerer Anhängerkreis habe sich in Bayern<br />

jedoch nicht gefunden. Die diesbezüglichen Einschätzungen<br />

gingen auf ein Konglomerat an Erkenntnissen zurück, auf<br />

offene Quellen wie rechtsextremistische Schriften, Texte<br />

der Skinheads sowie Informationen von V-Leuten. 206 Auf<br />

die Frage, ob auch außerhalb Bayerns entstandene Texte<br />

ausgewertet wurden und eine Beschäftigung mit Strategien<br />

wie des „führerlosen Widerstandes“ oder Entwicklungen in<br />

Schweden, GB oder anderen Ländern erfolgt seien, erklärte<br />

der Zeuge WINGERTER, dass sich darum ein Sachbearbeiter<br />

gekümmert habe und dabei nicht an unseren Grenzen<br />

Halt gemacht wurde 207 .<br />

Nach Angaben des Zeugen SEILER wurde vom Landesamt<br />

für Verfassungsschutz auch die „Blood & Honour“ Bewegung<br />

beobachtet. „Blood & Honour“ habe sich über das Ausland<br />

auch in Deutschland etabliert und habe versucht, die<br />

Skinheadszene mit entsprechender Musik zum Teil primitivster<br />

Textarten zu beeinflussen. Dabei sei versucht worden,<br />

Zugänge zu entsprechenden Gruppierungen schaffen. 208<br />

Erkenntnisse seit 2000:<br />

195 Verfassungsschutzberichte 1995, S. 17f; 1996, S. 20, 49; 1997, S. 97;<br />

2000, S. 17, 78.<br />

196 Dr. Remmele, 18.12.2012, S. 6, 37.<br />

197 Forster, 09.10.2012, S. 66.<br />

198 Hegler, 23.10.2012, S. 60.<br />

199 Dr. Remmele, 18.12.2013, S. 39.<br />

200 Körner, 17.04.2013, S. 74.<br />

201 Wilfling, 19.02.13, S. 41.<br />

202 Pfister, 21.03.13 (wurden nur nach dem Begriff des „führerlosen Widerstands“<br />

gefragt).<br />

203 Forster, 09.10.2012, S. 69.<br />

Konkrete Erkenntnisse zu rechtsterroristischen Aktivitäten<br />

in Bayern gab es seit den im September 2003 vereitelten<br />

Anschlagsplänen des Führungskreises der „Kameradschaft<br />

204 Körner, 17.04.2013, S. 74.<br />

205 Forster, 09.10.2012, S. 75.<br />

206 Wingerter, 09.10.2012, S. 90f..<br />

207 Wingerter 09.10.2012, S. 102.<br />

208 Seiler, 18.12.2012 – nicht öffentlich, S. 67.

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