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Schlussbericht (Drs. 16/17740) - Bayerischer Landtag

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Drucksache <strong>16</strong>/<strong>17740</strong> <strong>Bayerischer</strong> <strong>Landtag</strong> • <strong>16</strong>. Wahlperiode Seite 55<br />

dass die in seiner ersten Vernehmung getätigten Äußerungen<br />

zur Rolle des V ausschließlich auf Internetwissen<br />

basierten. 143<br />

Auf die Frage, welche Kenntnisse das Landesamt für<br />

Verfassungsschutz über die Inhalte der von V betriebenen<br />

Mailbox „Kraftwerk BBS“ habe, wollte der<br />

Zeuge Forster in öffentlicher Sitzung keine Angaben<br />

machen, da Einzelheiten zu den vorhandenen Kenntnissen<br />

des Landesamts für Verfassungsschutz Verschlusssache<br />

seien. Dies gelte auch für die Frage, ob das Landesamt für<br />

Verfassungsschutz direkten Zugriff auf die Inhalte dieser<br />

Mailbox hatte, weil es sich dabei um eine operative Einzelfrage<br />

handle. 144<br />

Der zu diesem Sachverhalt in geheimer Sitzung ausführlich<br />

befragte Zeuge des Landesamts für Verfassungsschutz<br />

legte dar, dass V nicht Betreiber des Thule-Netzes, sondern<br />

Betreiber einer unter etwa einem Dutzend Mailboxen<br />

in diesem Netz gewesen sei. 145<br />

Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft Kassel und des<br />

Hessischen Landeskriminalamts bestand im Hinblick<br />

auf mittels der Mailbox Steiner BBS zugänglichen Anleitungen<br />

zur Herstellung von Sprengstoff der Verdacht<br />

der Anleitung zu Straftaten gemäß § 130a StGB. 146 Die<br />

Staatsanwaltschaft Coburg teilte die Annahme eines entsprechenden<br />

Anfangsverdachts, hielt aber strafprozessuale<br />

Maßnahmen nur für den Fall sinnvoll, dass die fachkundige<br />

Auswertung des sichergestellten EDV-Materials<br />

gewährleistet ist. 147 Über das weitere Vorgehen der bayerischen<br />

Ermittlungsbehörden in dieser Angelegenheit<br />

hat der Untersuchungsausschuss keine Erkenntnisse gewinnen<br />

können.<br />

In einem gegen Frank Schwerdt und unbekannt geführten<br />

Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts wegen<br />

des Verdachts des Vertreibens von Propagandamitteln verfassungswidriger<br />

Organisationen unter anderem über das<br />

Thule-Netz wurde in einem Vermerk des damaligen Sachbearbeiters<br />

beim Generalbundesanwalt festgestellt, dass<br />

die von V betriebene Mailbox „Kraftwerk BBS“ zum damaligen<br />

Zeitpunkt führend im Thule-Netz war und als einzige<br />

in diesem Netz die Möglichkeit geboten hat, nur über<br />

Telefax und ohne Benutzung eines Modems Meldungen in<br />

das Thule-Netz einzuspeisen. 148<br />

Der Zeuge Wingerter vom Landesamt für Verfassungsschutz<br />

konnte sich zwar daran erinnern, dass die<br />

Auswertung des Thule-Netzes Teil seiner Tätigkeit war,<br />

konnte auf die Frage aber nichts dazu sagen, ob es für das<br />

Landesamt für Verfassungsschutz schwierig gewesen sei,<br />

Informationen aus dem Thule-Netz zu erhalten. 149<br />

Dem Zeugen SAGER vom Landesamt für Verfassungsschutz<br />

sagte das Thule-Netz überhaupt nichts. Er habe<br />

zwar sehr viele Vorträge zum Thema Rechtsextremismus<br />

in Bayern gehalten, aber sicher nichts zum Thule-Netz<br />

darin gesagt. 150<br />

Durch die Verbreitung des Internets haben die Mailboxen<br />

des Thule-Netzes an Bedeutung verloren. In Bayern war<br />

ab 1998 keine Mailbox des Thule-Netzes mehr aktiv. 151<br />

Im Sommer 1999 wurden die Aktivitäten des Thule-<br />

Netzes dann vollständig eingestellt. 152<br />

Die Sachverständige Röpke geht davon aus, dass das<br />

Thule-Netz an der Radikalisierung und Ideologisierung<br />

der rechtsextremistischen Szene ganz stark mitbeteiligt<br />

war. 153 Sie ist der Ansicht, das Thule-Netz sei damals für<br />

die Neonazi-Szene etwas ganz Neues gewesen und wirklich<br />

von ganz großer Bedeutung gewesen. 154<br />

• Stellung Vs bei der Organisation der Heß-Gedenkmärsche:<br />

Laut dem Sachverständigen Funke habe V zu den führenden<br />

Köpfen des „Aktionskomitees Rudolf Heß“ gehört.<br />

155<br />

Die Vernehmung der Zeugen des Landesamts für Verfassungsschutz<br />

hierzu ergab eine Beteiligung V`s an den<br />

Heß-Gedenkmärschen vorrangig in technisch-logistischer<br />

Hinsicht. Er sei etwa am Druck von anderen entworfenen<br />

Kaderrundbriefen beteiligt gewesen und habe auch Koordinationsaufgaben<br />

übernommen. Das Heß-Organisationskomitee<br />

habe aus einer Vielzahl von Mitgliedern bestanden.<br />

156<br />

In diesem Zusammenhang lag dem Untersuchungsausschuss<br />

ein Spiegel-Bericht über ein geheim eingestuftes<br />

Positionspapier des Bundeskriminalamts vom 03.02.1997<br />

vor. Laut Spiegel sei in dem Papier eine zunehmende<br />

Divergenz zwischen Verfassungsschutzoperationen und<br />

exekutiven Maßnahmen festgestellt worden. 157 Darüber<br />

hinaus werde ein „Brandstiftereffekt“ durch V-Leute befürchtet.<br />

Aus Quellenschutzgründen würden Informationen<br />

des Verfassungsschutzes erst so spät an die Polizei<br />

weitergeleitet, dass rechte Aktionen nicht mehr verhindert<br />

werden können. Des Weiteren habe das Bundeskriminalamt<br />

festgestellt, dass in Hinblick auf den „Rudolf-Heß-<br />

143 Forster, 13.11.2012, S. 5 (VS-Geheim).<br />

144 Forster, 13.11.2011, S. 18.<br />

145 N. N., Mitarbeiter des Landesamts für Verfassungsschutz, 13.11.2012,<br />

S. 92 (VS-Geheim).<br />

146 Akte 141, Bl. 343 f., 357 f., 367.<br />

147 Akte 141, Bl. 367.<br />

148 Akte Nr 286, Bl. 86.7.<br />

149 Wingerter, 9.10.2012, S. 113 f.<br />

150 Sager, <strong>16</strong>.10.12, S. 32 f.<br />

151 Verfassungsschutzbericht Bayern 1998, S. 50.<br />

152 Verfassungsschutzbericht Bayern 1998, S. 58.<br />

153 Röpke, 27.11.2012, S. 48.<br />

154 Röpke, 27.11.2012, S. 75.<br />

155 Prof. a.D. Dr. Funke, 27. November 2012, S. 15.<br />

156 N. N., Mitarbeiter des Landesamts für Verfassungsschutz, 13.11.2012,<br />

S. 98 ff. (VS-Geheim).<br />

157 Zit. nach Der Spiegel 45/2012, S. 39;

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