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Schlussbericht (Drs. 16/17740) - Bayerischer Landtag

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Drucksache <strong>16</strong>/<strong>17740</strong> <strong>Bayerischer</strong> <strong>Landtag</strong> • <strong>16</strong>. Wahlperiode Seite 139<br />

Es ist kritisch zu sehen, dass man sich aufgrund der Anhaltspunkte<br />

und Spuren, die sich jedoch meist bald als unzutreffend<br />

erwiesen, zu sehr auf die Ermittlungsrichtung organisierte<br />

Kriminalität konzentrierte und eine Offenheit für Ermittlungen<br />

in andere Richtungen fehlte.<br />

Tatsächlich ergaben die in Richtung der Organisierten Kriminalität<br />

geführten Ermittlungen nie eine wirklich belastbare<br />

Spur. Sie beruhten größtenteils nur auf zweifelhaften<br />

Angaben von Zeugen oder anderweitigen Quellen.<br />

3.1.4 Arbeitshypothese in Richtung Rechtsextremismus<br />

oder Fremdenfeindlichkeit<br />

Nach Ansicht des Untersuchungsausschusses ist kritisch zu<br />

sehen, dass im Vergleich mit den Ermittlungen zur Organisierten<br />

Kriminalität zu spät, nämlich erst nach dem neunten<br />

Mord der Serie am 06.04.2006, und mit zu wenig Nachdruck<br />

in Richtung eines rechtsextremistischen oder fremdenfeindlichen<br />

Tatmotivs ermittelt worden ist.<br />

Nach Angaben der Zeugen sei ein rechtsextremistischer oder<br />

fremdenfeindlicher Hintergrund der Morde zwar nie ausgeschlossen<br />

worden, konkrete Ermittlungen in diese Richtung<br />

sind aber zunächst nicht erfolgt, weil man außer der<br />

Tatsache, dass alle Opfer türkischer bzw. griechischer Herkunft<br />

waren, keine tatsächlichen Anhaltspunkte gehabt habe.<br />

(siehe oben unter B.2.3.1.).<br />

Der Untersuchungsausschuss hat jedoch – wie bereits ausgeführt<br />

– den Eindruck gewonnen, dass zum damaligen Zeitpunkt<br />

die gebotene Offenheit für alle Ermittlungsrichtungen<br />

fehlte.<br />

Es ist zwar richtig und nicht zu kritisieren, dass die Polizei<br />

nach den ersten Mordanschlägen intensiv auch im Umfeld<br />

der Opfer ermittelt hat, da nach kriminalistischen Erfahrungen<br />

Täter und Motiv bei den allermeisten Mordfällen<br />

im Umfeld des Opfers zu finden sind. Spätestens nach dem<br />

dritten Mord mit derselben Waffe an einem Mitbürger mit<br />

türkischem Migrationshintergrund hätte jedoch seitens der<br />

Ermittlungsbehörden auch in Richtung eines ausländerfeindlichen<br />

Hintergrundes ermittelt werden müssen, zumal<br />

die Witwe des ersten Opfers nach Angaben des Zeugen Vögeler<br />

bereits im Jahre 2000 Fremdenfeindlichkeit als Motiv<br />

vermutet hatte. 827<br />

Zwar hat beispielsweise der Zeuge Vögeler angegeben, dass<br />

seitens der Polizei durchaus auch an ein ausländerfeindliches<br />

Motiv gedacht worden sei. 828 Diesem möglichen Motiv<br />

wurde jedoch nach den Erkenntnissen des Untersuchungsausschusses<br />

nicht weiter nachgegangen.<br />

Zur Abklärung der Arbeitshypothese Fremdenfeindlichkeit<br />

sind zwar nach Angaben einiger Zeugen auch Quellen des<br />

Landesamts für Verfassungsschutz befragt worden, von<br />

denen aber keine Hinweise gekommen seien. Leider sind<br />

diese Negativauskünfte der Quellen nirgends dokumentiert,<br />

sodass aus heutiger Sicht nicht mehr nachvollziehbar ist,<br />

in welchem Umfang solche Quellenbefragungen durch das<br />

Landesamt für Verfassungsschutz erfolgt sind. Erkenntnisse<br />

des Staats- und Verfassungsschutzes über eventuelle Verbindungen<br />

des Opfers zur Organisierten Kriminalität wurden<br />

hingegen wie selbstverständlich nachgefragt und auch dokumentiert.<br />

829 Warum dies bei den Quellenbefragungen in<br />

Richtung Rechtsextremismus nicht erfolgt ist, bleibt unerklärlich.<br />

Daran hat sich auch bis zur Vorstellung der 2. Operativen<br />

Fallanalyse (2. OFA) des Zeugen Horn im Juni 2006 nichts<br />

geändert, obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits fünf Mordanschläge<br />

auf Mitbürger mit Migrationshintergrund in Bayern<br />

mit immer derselben Tatwaffe verübt worden waren.<br />

Am deutlichsten wird die einseitige Ausrichtung der Ermittlungen<br />

in Richtung Organisierte Kriminalität in einem Schreiben<br />

des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom<br />

03.06.2004 an die Behörde für Inneres Hamburg, das Innenministerium<br />

Mecklenburg-Vorpommern, das Bayerische<br />

Staatsministerium der Justiz und für Verbraucherschutz und<br />

nachrichtlich an das BKA im Hinblick auf § 129 StGB, das<br />

die Fehleinschätzung der Polizei wiedergab. In dem insoweit<br />

gleichlautenden Sachstandsbericht der BAO Bosporus vom<br />

30.11.2005 heißt es:<br />

„Nach Betrachtung der Gesamtermittlungen ist bei dem aktuellen<br />

Tötungsdelikt [Anm.: Rostock] sowie auch bei den<br />

vorgehenden Tötungen von Schuldeneintreibung, entstanden<br />

durch vorherige Rauschgiftgeschäfte sowie Geldverschiebungen<br />

auszugehen. (…)<br />

Mit hoher Wahrscheinlichkeit, dies bekräftigen nachdrücklich<br />

die bisherigen Ermittlungen, sind internationale BTM-<br />

Geschäfte als Motiv für die Auftragsmorde zu sehen.“<br />

Im Sachstandsbericht der BAO vom 30.11.2005 werden zunächst<br />

zahlreiche Ausführungen zu den bisherigen Ermittlungen<br />

im Bereich der Organisierten Kriminalität gemacht.<br />

Letztlich stellen die Ermittler aber fest:<br />

„Über das Motiv kann beim derzeitigen Ermittlungsstand<br />

nur spekuliert werden. Die Ermittlungen im Umfeld der<br />

Opfer brachten keine Hinweise, woraus sich eine gezielte<br />

Ermittlungsrichtung hätte ergeben können.“<br />

Unverständlich ist daher, weshalb sich dann im nächsten<br />

Satz folgende Mutmaßung anschließt: „Aufgrund der Gesamtermittlungen<br />

ist davon auszugehen, dass in allen Fällen<br />

durch den oder die Täter ein konkreter Auftragsmord verübt<br />

wurde, …“<br />

Auch noch nach dem Mord an Ismail Yasar (6. Mord der<br />

Serie) hat die Polizei trotz der fehlenden Ermittlungserfolge<br />

weiterhin lediglich in Richtung Organisierte Kriminalität ermittelt.<br />

827 Vögeler, 22.01.2013, S. 60.<br />

828 Vögeler, 22.01.2013, S. 61<br />

829 Vögeler, 22.01.13, S. 60 f.

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