12.01.2014 Aufrufe

Schlussbericht (Drs. 16/17740) - Bayerischer Landtag

Schlussbericht (Drs. 16/17740) - Bayerischer Landtag

Schlussbericht (Drs. 16/17740) - Bayerischer Landtag

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Seite 28 <strong>Bayerischer</strong> <strong>Landtag</strong> • <strong>16</strong>. Wahlperiode Drucksache <strong>16</strong>/<strong>17740</strong><br />

nahme zu einzelnen Fragen gebeten. Die Stellungnahmen<br />

der Staatsregierung werden ebenfalls hier aufgeführt.<br />

A. Welche rechtsextremistischen Strukturen und Aktivitäten<br />

sind im Zeitraum vom 01.01.1994 bis 04.07.2012<br />

in Bayern und länderübergreifend festgestellt worden<br />

und welche Maßnahmen haben bayerische Sicherheitsbehörden<br />

hiergegen mit welchen Ergebnissen ergriffen?<br />

Der Untersuchungsausschuss hat sich während des Untersuchungszeitraums<br />

weniger mit dem organisierten (NPD, DVU<br />

usw.), sondern mehr mit dem nicht organisierten Rechtsextremismus<br />

(Kameradschafts- und Skinheadszene) beschäftigt.<br />

Hierzu wurden neben der Anhörung der Sachverständigen<br />

die Verfassungsschutzberichte von 1993 bis 2011 und<br />

sonstige Publikationen, z. B. Broschüren, des Verfassungsschutzes,<br />

herangezogen sowie diverse Zeugen vernommen.<br />

A.1. Rechtsextremistische Aktivitäten in Bayern im Untersuchungszeitraum<br />

Anhörung der Sachverständigen 1 :<br />

Einführend werden hier die Ausführungen der Sachverständigen<br />

in der Anhörung vom 27.11.2012 wiedergegeben.<br />

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass der Untersuchungsausschuss<br />

die Ausführungen der Sachverständigen zu tatsächlichen<br />

Vorgängen nicht dahingehend hinterfragt hat, ob die<br />

Erkenntnisse auf eigenen Wahrnehmungen der Sachverständigen<br />

beruhen oder aus welchen sonstigen Quellen sich diese<br />

ergeben. Belege wurden von den Sachverständigen nicht gefordert<br />

und deren Aussagen auch nicht überprüft:<br />

Sachverständiger PD Dr. Kailitz: 2<br />

Der Sachverständige PD Dr. Kailitz führte zu den Verflechtungen<br />

der NPD mit den gewaltbereiten Kameradschaften<br />

aus, dass die bayerischen NPD-Vorsitzenden im Untersuchungszeitraum<br />

vergleichsweise reserviert gegenüber<br />

den Kameradschaften aufgetreten seien. Das gelte sowohl<br />

für Franz Salzberger, der bis 2001 den bayerischen NPD-<br />

Vorsitz innehatte, als auch für seinen Nachfolger Ralf Ollert.<br />

Jenseits der Vorsitzenden sehe das aber schon ganz anders<br />

aus. Wenn man die beiden derzeitigen stellvertretenden Vorsitzenden<br />

nehme – Karl Richter und Sascha Roßmüller –,<br />

stellt man fest, dass sie deutlich für den Radikalisierungskurs<br />

der NPD stehen würden.<br />

Von besonderem Interesse sei, dass Roßmüller dem Spektrum<br />

der Kameradschaften zuzurechnen sei. Er stehe auch<br />

deutlich für die Radikalisierung des Jugendverbandes „Junge<br />

Nationaldemokraten“ in Bayern und bundesweit. Roßmüller<br />

sei Aktivist des 1993 verbotenen nationalsozialistisch ausgerichteten<br />

„Nationalen Blocks“, bevor er 1999 – bis 2002<br />

– Bundesvorsitzender der „Jungen Nationaldemokraten“ geworden<br />

sei. Von 2000 bis 2009 habe Roßmüller dem Bundesvorstand<br />

der NPD angehört. Seit 2006 sei er stellvertretender<br />

Landesvorsitzender der Partei in Bayern.<br />

1 27.11.2012, öffentliche Sitzung, S. 1-98.<br />

2 Dr. habil. Steffen Kailitz, Politikwissenschaftler, Hannah-Arendt-<br />

Institut für Totalitarismusforschung e. V. an der TU Dresden.<br />

Norman Bordin habe neben der gewalttätigen „Kameradschaft<br />

Süd“ von 2006 bis 2008 auch die bayerischen „Jungen<br />

Nationaldemokraten“ angeführt. Seit 2007 sei er stellvertretender<br />

Bundesvorsitzender der „Jungen Nationaldemokraten“.<br />

Er gehöre weiterhin dem bayerischen Landesvorstand<br />

der NPD an.<br />

Ein weiterer nationalsozialistischer Kader aus der Kameradschaftsszene<br />

sei Matthias Fischer. Er habe die im Jahr 2004<br />

verbotene „Fränkische Aktionsfront“ (F.A.F.) angeführt. Fischer<br />

sei Bordin als Vorsitzender der „Jungen Nationaldemokraten“<br />

gefolgt.<br />

Zur Kameradschaftsszene allgemein: Im Untersuchungszeitraum<br />

habe es eine Vielzahl von Kameradschaften gegeben.<br />

Zwei der bedeutendsten Kameradschaften, bei denen Verbindungslinien<br />

zum „Nationalsozialistischen Untergrund“<br />

aufscheinen würden, seien die 2004 verbotene „Fränkische<br />

Aktionsfront“, die von Matthias Fischer geführt worden sei,<br />

und die „Kameradschaft Süd“, die zunächst von Norman<br />

Bordin und dann von Martin Wiese angeführt worden sei.<br />

Ein guter Ausgangspunkt für die Kontakte, die Böhnhardt,<br />

Mundlos und Zschäpe nach Bayern hatten, sei die<br />

Kontaktliste mit 35 Namen, die im Rahmen der Durchsuchungsaktion<br />

im Januar 1998 gefunden wurde. Von einem<br />

bedeutenden Teil der Namen sei inzwischen klar, dass sie<br />

zum NSU-Unterstützungsnetzwerk gehörten, allen voran<br />

Ralf Wohlleben und André Kapke. Mit Blick auf die Arbeit<br />

des Untersuchungsausschusses sei von besonderer Bedeutung,<br />

dass aus dem Raum Nürnberg fünf Namen auftauchen<br />

würden, aus dem Großraum München – konkret: Straubing<br />

– zwei Namen. Einer dieser Namen sei Matthias Fischer.<br />

Gut dokumentiert sei inzwischen, dass Mundlos, Böhnhardt<br />

und Zschäpe bereits in den 90er Jahren häufiger in Bayern<br />

gewesen seien. Mundlos habe im August 1994 zusammen<br />

mit dreißig Neonazis den Geburtstag eines bayerischen Neonationalsozialisten<br />

in einer Kiesgrube bei Straubing gefeiert.<br />

Zu den Anwesenden habe auch Sascha Roßmüller gezählt.<br />

Mundlos und Böhnhardt seien 1995/1996 über ihr Engagement<br />

beim „Thüringer Heimatschutz“ auch bei der von<br />

Tino Brandt initiierten Gründung des „Fränkischen Heimatschutzes“<br />

anwesend gewesen. Für die Mitte der 90er Jahre<br />

sei eine Reise der Kerntruppe der Kameradschaft Jena – also<br />

auch Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe – zu einem Kameradschaftsabend<br />

nach Nürnberg dokumentiert. Weiterhin<br />

belegt sei die Teilnahme an der Großdemonstration gegen<br />

die Wehrmachtsausstellung in München.<br />

Bislang noch unklar seien die genauen Verbindungslinien<br />

zwischen dem NSU und der „Kameradschaft Süd“. Es gebe<br />

aber einige Indizien, die für einen gewissen Zusammenhang<br />

mit den rechtsterroristischen Planungen aus dem Kreis der<br />

„Kameradschaft Süd“ – konkret: der „Schutztruppe“ – sprechen<br />

würden.<br />

Im Bereich des Rechtsterrorismus habe bis zur Aufdeckung<br />

der Mordserie des NSU die Planung der „Schutztruppe“ für<br />

einen Anschlag auf das Jüdische Gemeindezentrum als be-

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!