Schlussbericht (Drs. 16/17740) - Bayerischer Landtag
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Seite 118 <strong>Bayerischer</strong> <strong>Landtag</strong> • <strong>16</strong>. Wahlperiode Drucksache <strong>16</strong>/<strong>17740</strong><br />
Aufstellung der damaligen Polizeidirektion Nürnberg über<br />
„Personen, die der „rechten“ Szene zuzurechnen sind“ u.a.<br />
folgende aufgeführt: Holger Apfel, Uwe Böhmhardt (sic!),<br />
Mario Brehme, Holger Gerlach, André Kapke, Thomas<br />
Kubiak, Uwe Mundlos, Jens Pühse, Sascha Roßmüller, Falko<br />
Schüßler, Sandro Tauber und Ralf Wohlleben. Ergänzt wurde<br />
diese Aufstellung durch eine zweiseitige maschinenschriftliche<br />
Aufstellung von 25 Personen, ohne dass aus dem Dokument<br />
der Grund für diese Aufteilung hervorging. In dem<br />
zusätzlichen Teil wurden u.a. folgende Personen aufgeführt:<br />
Andreas Kehrberger und Matthias Fischer mit dem Zusatz<br />
„(PTB-Schuszwaffe (sic!) ungeladen, 1 leeres Magazin)“. 687<br />
Mandy Struck und Matthias Fischer als eventuelle Unterstützer<br />
und Sympathisanten wurden im Geschäftsbereich des<br />
Staatsministeriums des Innern häufig aktenkundig.<br />
B.4.15. Aus welchen Gründen ist im Dezember 2005 von<br />
wem eine weitere OFA in Auftrag gegeben worden, wann<br />
ist sie vorgelegt worden und auf Grund welcher Umstände<br />
ist in dieser OFA die Theorie vertreten worden,<br />
Urheber der Mordanschläge könne auch ein „missionsgeleiteter“<br />
Einzeltäter mit Hass auf Ausländer, im Speziellen<br />
auf Türken, sein?<br />
Der Zeuge GEIER hat angegeben, dass Mitte 2005 damit<br />
begonnen worden sei, die Altfälle zu überprüfen, um sich<br />
innerhalb der BAO Bosporus eine Meinung bilden zu können.<br />
688 Es habe dann bereits im Herbst 2005 innerhalb der<br />
BAO Bosporus Diskussionen gegeben, ob die Tatserie nicht<br />
doch einen anderen Hintergrund als die Verstrickung in die<br />
organisierte Kriminalität haben könnte. Dies führte im Dezember<br />
2005 zunächst zu einem Auftrag an die OFA Bayern,<br />
die Arbeitshypothese „Sniper“ zu untersuchen. Diese sei<br />
jedoch als sehr unwahrscheinlich eingestuft worden. Der<br />
Zeuge GEIER habe dann in der Folge die OFA Bayern beauftragt,<br />
weitere Alternativhypothesen zu entwickeln. 689<br />
Unter Einbeziehung der beiden Taten in Kassel und Dortmund<br />
sei die sogenannte Serientätertheorie in ihrer endgültigen<br />
Fassung von der OFA Bayern im Juni 2006 präsentiert<br />
worden. 690 Bereits am 9. Mai 2006 sei der BAO Bosporus die<br />
zweite Analyse im Entwurfsstadium vorgestellt worden. 691<br />
Der Zeuge VÖGELER hat angegeben, dass nach den Mordfällen<br />
Yasar und Boulgarides im Jahr 2005 aufgrund der Tatortsituation<br />
und entsprechender Diskussionen mit der OFA<br />
ein Umdenken stattgefunden habe. 692<br />
Nach den Angaben des Zeugen MÄHLER seien bis Ende<br />
2005 die Ermittlungen auf Grundlage der ersten OFA-Analyse<br />
im OK-Bereich forciert worden und die ganzen Spurenkomplexe<br />
nach und nach abgearbeitet worden. Verwertbare<br />
Erkenntnisse hätten jedoch so nicht gewonnen werden<br />
können. Einer Aufklärung der Tötungsdelikte sei man nicht<br />
näher gekommen. Um die Jahreswende 2005/2006 sei die<br />
BAO dann in mehreren Besprechungen zu dem Ergebnis gekommen,<br />
dass eine neue Ermittlungsrichtung denkbar sein<br />
müsse, die über die erste OFA-Analyse hinausgeht. Es sei<br />
dann der Wunsch der BAO entstanden, sich mit dem Zeugen<br />
Horn von der OFA Bayern auszutauschen, ob es denkbar sei,<br />
dass eine Alternativhypothese erarbeitet werden könne. Dies<br />
habe dann zur Vorstellung der Serientätertheorie geführt. 693<br />
B.4.15.1. Aufgrund welcher Umstände ist in der zweiten<br />
OFA die Vermutung angestellt worden, der oder die<br />
„missionsgeleitete“ Einzeltäter könne im Bereich der<br />
Stadt Nürnberg einen „Ankerpunkt“ haben und gleichwohl<br />
eine hohe Mobilität aufweisen?<br />
Nach den Angaben der Zeugen GEIER und SCHABEL seien<br />
folgende Argumente zur Untermauerung der Annahme eines<br />
möglichen Ankerpunkts in Nürnberg herangezogen worden:<br />
Beginn der Serie, Häufung der Taten, relative Nähe der Tatorte<br />
im Nürnberger Südosten. 694<br />
Der Zeuge Horn legte dar, wie das Team der OFA Bayern zu<br />
der Annahme eines „Ankerpunkts“ in Nürnberg gekommen<br />
war. Nürnberg habe für die Serie eine relativ große Bedeutung<br />
gehabt. Bei Serienstraftaten sei zunächst der Beginn der<br />
Serie immer von Relevanz. Zudem habe die zweite Tat auch<br />
in Nürnberg stattgefunden. Alle Nürnberger Tatorte seien im<br />
Südosten der Stadt gelegen. Der Tatort Özüdogru sei darüber<br />
hinaus so gelegen, dass aus Sicht der OFA Bayern gewisse<br />
Ortskenntnisse als sehr, sehr wahrscheinlich anzusehen gewesen<br />
seien. Außerdem habe sich die Serie nach der zweiten<br />
längeren Pause zwischen dem fünften Mord im Februar 2004<br />
in Rostock und dem sechsten Mord im Juni 2005 in Nürnberg<br />
fortgesetzt, woraufhin in weniger als einer Woche der<br />
siebte Mord in München begangen worden sei. 695<br />
B.4.15.2. Haben die Mitarbeiter der BAO „Bosporus“<br />
und die sachleitende Staatsanwaltschaft diese Einschätzung<br />
geteilt, und welche Konsequenzen sind hieraus hinsichtlich<br />
der Gewichtung des Ermittlungsaufwands in<br />
Richtung der beiden Theorien gezogen worden?<br />
Der Zeuge MÄHLER hat ausgeführt, dass die BAO aus<br />
einer Geschäftsstelle und mehreren Ermittlungsabschnitten<br />
gebildet worden sei. Der Abschnitt Ermittlungen sei im<br />
Zusammenhang mit der Serientätertheorie deutlich vergrößert<br />
worden. 696 Es seien neue Kollegen hinzugekommen,<br />
die zum Teil Erkenntnisse aus den Bereichen Waffen und<br />
Staatsschutz mitbrachten. 697 Er meint, dass acht bis zehn<br />
Kollegen mit Erfahrungen im rechtsextremistischen Bereich<br />
des Staatsschutzes neu zur BAO hinzugekommen seien. 698<br />
Insgesamt sei es im Sommer 2006 so gewesen, dass sich ca.<br />
zwei Drittel der BAO mit dem Abarbeiten von den Spuren<br />
aus den Tötungsdelikten bzw. dem OK-Bereich und ca.<br />
687 Akte Nr. 309, Bl. 113 ff.<br />
688 Geier, 20.02.2013, S. 29.<br />
689 Geier, 20.02.2013, S. 9 f.<br />
690 Geier, 20.02.2013, S. 12.<br />
691 Geier, 20.02.2013, S. 13.<br />
692 Vögeler, 22.01.2013, S. 62.<br />
693 Mähler, 06.03.2013, S. 15 f., 24.<br />
694 Geier, 20.02.2013, S. 13; Schabel, 21.03.2013, S. 112.<br />
695 Horn, 06.03.2013, S. 83f.<br />
696 Mähler, 06.03.2013, S. 4.<br />
697 Mähler, 06.03.2013, S. 25.<br />
698 Mähler, 06.03.2013, S. 26.