Schlussbericht (Drs. 16/17740) - Bayerischer Landtag
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Seite 80 <strong>Bayerischer</strong> <strong>Landtag</strong> • <strong>16</strong>. Wahlperiode Drucksache <strong>16</strong>/<strong>17740</strong><br />
Der Zeuge Cremer bewertete die „Operation Rennsteig“<br />
im Untersuchungsausschuss des Bundestags als Misserfolg,<br />
die zwar viele Ressourcen verschlungen, aber letztlich keine<br />
Ergebnisse geliefert habe. Letztlich sei es nicht gelungen,<br />
verlässliche Quellen im Thüringer Heimatschutz zu gewinnen.<br />
Die Ursache dafür liege im Potenzial der Szene.<br />
Deren Mitglieder seien gewaltbereit und zu Straftaten bereit<br />
gewesen. Der Zeuge beschrieb sie wörtlich als „in der Wolle<br />
gefärbte Rechtsextremisten“. Man habe stets damit rechnen<br />
müssen, dass sie Straftaten begehen oder lügen. Eine Zusammenarbeit<br />
sei mit solchen Leuten nicht möglich. 338<br />
B. Mordanschläge in Bayern<br />
B.1. Welche Erkenntnisse haben welche bayerischen Sicherheits-<br />
und Strafverfolgungsbehörden sowie die jeweils<br />
vorgesetzten Dienststellen und die Staatsregierung<br />
seit dem Untertauchen der mutmaßlichen Täter Böhnhardt,<br />
Mundlos und Zschäpe am 26.01.1998 über diese<br />
Personen erlangt und welche Aktivitäten haben sie daraufhin<br />
entwickelt?<br />
B.1.1. Wann haben welche bayerischen Sicherheits- und<br />
Strafverfolgungsbehörden von wem und wie Kenntnis<br />
von dem Untertauchen der o.g. Personen und von dem<br />
gegen sie gehegten Verdacht der Vorbereitung von<br />
Sprengstoffanschlägen erlangt und welche Behörde hat<br />
daraufhin welche Maßnahmen ergriffen?<br />
Zum Informationsaustausch zwischen den Landesämtern für<br />
Verfassungsschutz wird auf die Beantwortung der Fragen<br />
B.1.1.2 bis B.1.1.4 verwiesen.<br />
Zum Informationsaustausch der Strafverfolgungsbehörden<br />
wird auf die Beantwortung der Frage B.1.1.5. verwiesen.<br />
Ob der Begriff „NSU – Nationalsozialistischer Untergrund“<br />
den bayerischen Sicherheitsbehörden vor dem 04.11.2011<br />
bekannt war, konnte nicht abschließend geklärt werden.<br />
Die Aktenlage bietet keinen Anhaltspunkt für eine Kenntnis<br />
vor diesem Datum. Auch die Aussagen der vernommenen<br />
Zeugen sind insoweit, bis auf eine Ausnahme, einheitlich.<br />
Abweichend davon erklärte der Zeuge PITZ, dass bei einer<br />
Besprechung der BAO Bosporus der Begriff „NSU – Nationalsozialistischer<br />
Untergrund“ im Zusammenhang mit einer<br />
rechtsextremistischen Gruppierung gefallen sei. Ein Teilnehmer<br />
der Besprechung, an dessen Name sich der Zeuge<br />
aber nicht mehr erinnern konnte, habe damals mitgeteilt,<br />
dass das Landesamt für Verfassungsschutz aus entweder<br />
Sachsen oder Thüringen sich an die BAO Bosporus mit dem<br />
Hinweis auf eine rechtsradikale Gruppierung dieses Namens<br />
gewandt habe. Der Zeuge hat angegeben, er könne sich an<br />
das Kürzel wegen der Namensgleichheit mit einer Fahrradmarke<br />
erinnern. Dem Zeugen war nicht mehr erinnerlich,<br />
in welchem Jahr die Besprechung stattgefunden haben soll.<br />
Das von ihm eingegrenzte Zeitfenster erstreckte sich auf die<br />
338 Akte Nr. 68, ZV Cremer, 24. Sitzung des 2. UA der 17. Wahlperiode<br />
im Deutscher Bundestag, 5. Juli 2012, S. 95.<br />
Jahre 2007-2008 bzw. Anfang 2008. Auch an den vollständigen<br />
Teilnehmerkreis der Besprechung konnte er sich nicht<br />
mehr erinnern. Nach dieser Besprechung habe er sich telefonisch<br />
beim Zeugen Richter informiert, wie nun in Hinblick<br />
auf die rechte Spur verfahren werde. Der Zeuge Richter habe<br />
ihm geantwortet, dass diese Spur gestorben sei. 339<br />
Der Zeuge Richter, der nach Aussage des Zeugen Pitz<br />
jedenfalls auch Teilnehmer der Besprechung gewesen sein<br />
soll, widersprach dieser Aussage: Der Begriff NSU sei der<br />
BAO Bosporus nicht bekannt und nie Gegenstand von Besprechungen<br />
gewesen. Es habe darüber hinaus zu keinem<br />
Zeitpunkt aus Sachsen oder Thüringen Hinweise zu rechtsradikalen<br />
Gruppierungen im Zusammenhang mit der Ceska-<br />
Mordserie gegeben. Auch ein gemeinsames Telefonat, in<br />
dem er sich gegenüber dem Zeugen Pitz zu einer angeblichen<br />
Beendigung der Ermittlungen in Bezug auf eine rechtsextremistische<br />
Spur geäußert haben soll, habe es nach seiner<br />
Erinnerung definitiv nicht gegeben. 340<br />
Auch der Zeuge SCHALKHAUSSER, der nach Erinnerung<br />
des Zeugen Pitz wohl bei der fraglichen Besprechung anwesend<br />
gewesen sein soll, sagte aus, dass ihm die Begriffe „Nationalsozialistischer<br />
Untergrund – NSU“ vor dem 04.11.2011<br />
nicht bekannt waren. 341<br />
Erkenntnisse über weitere Maßnahmen und Erkenntnisse<br />
der bayerischen Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden<br />
liegen dem Untersuchungsausschuss nicht vor.<br />
B.1.1.1. Welche Erkenntnisse hatten bayerische Sicherheitsbehörden<br />
seit dem 28.01.1998 über den Aufenthalt<br />
der o.g. Personen in Bayern ab 1994 und über Gerhard<br />
Ittner, Matthias Fischer und Mandy Struck sowie weitere<br />
Unterstützer und Sympathisanten dieser Personen und<br />
wie sind ggf. diese Erkenntnisse verwertet worden?<br />
Nach Angaben der befragten Zeugen habe es zwischen dem<br />
28.01.1998 und dem 04.11.2011 keine Erkenntnisse über<br />
den Aufenthalt der mutmaßlichen Täter Böhnhardt, Mundlos<br />
und Zschäpe in Bayern gegeben. Ansonsten wird auf die<br />
Antwort zu Frage A.1.4.1. verwiesen.<br />
Zu den bekennenden Rechtsextremisten Ittner und Fischer<br />
liegt den Zeitraum betreffend umfangreiches Aktenmaterial<br />
beim Landesamt für Verfassungsschutz vor, das bis auf die<br />
folgenden Begebenheiten aber keinen unmittelbaren Bezug<br />
zu den mutmaßlichen Täters Böhnhardt, Mundlos und<br />
Zschäpe erkennen lässt:<br />
• Matthias Fischer gehörte zur Redaktion der Neonazi<br />
Publikation „Der Landser“. In der Ausgabe Nr. 8 vom<br />
Sept./Okt. 2001 findet sich der Hinweis „Dank geht an:<br />
(…) Mandy und die Sachsen“. 342 Bereits in der Ausgabe<br />
Nr. 7 von Anfang 2001 wurde unter der Überschrift „Na-<br />
339 Pitz, 18.06.2013, S. 8 ff.<br />
340 Richter, 18.06.2013, S. 57 ff.<br />
341 Schalkhauser, 18.06.2013, S. 145.<br />
342 Akte Nr. 19, S. 33-34.