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Schlussbericht (Drs. 16/17740) - Bayerischer Landtag

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Seite 146 <strong>Bayerischer</strong> <strong>Landtag</strong> • <strong>16</strong>. Wahlperiode Drucksache <strong>16</strong>/<strong>17740</strong><br />

• Die Datenanforderung wurde durch die BAO Bosporus<br />

nicht mit der notwendigen Priorität und dem notwendigen<br />

Nachdruck verfolgt.<br />

• Das Landesamt für Verfassungsschutz verhielt sich sehr<br />

bürokratisch und zeigte keine Eigeninitiative, die BAO<br />

Bosporus zu unterstützen.<br />

• Es hätten rechtlich mehr Daten und Informationen geliefert<br />

werden können, als tatsächlich geliefert wurden.<br />

• Die zögerliche Informationsübermittlung war ein Fehler<br />

der beteiligten Behörden, und zwar von beiden Seiten.<br />

3.8. Überlastung mit Daten/Unterschiedliche Programme<br />

auf Bundes- und Landesebene<br />

Die Erhebung und Auswertung von ca. 32 Mio. Massedaten<br />

führte bei der BAO zu Problemen, einer personellen Mehrbelastung<br />

und barg die Gefahr in sich, dass einzelnen Spuren<br />

nur aufgrund des entsprechenden Ergebnisses im Rahmen<br />

des Massendatenabgleichs weiterverfolgt bzw. nicht weiterverfolgt<br />

wurden (siehe Sachverhalt Frage B.4.17.4). 852 Insbesondere<br />

im Hinblick auf die Serientätertheorie scheint die<br />

einzige nennenswerte Ermittlungstätigkeit neben der Abklärung<br />

der auf <strong>16</strong>1 Personen eingeschränkten Liste des Landesamts<br />

für Verfassungsschutz der Vergleich dieser Daten<br />

mit den vorhandenen Massedaten gewesen zu sein.<br />

Durch die Verwendung unterschiedlicher Fallerfassungssysteme<br />

in Bayern, dem Bund und anderen Ländern ist es<br />

zu Verzögerungen bei den Ermittlungen gekommen (siehe<br />

Sachverhalt Frage B.4.5.). 853 Es kann angenommen werden,<br />

dass die mehr als ein halbes Jahr dauernde Nacherfassung<br />

der Altfälle nach Gründung der BAO im Juli 2005 erhebliche<br />

Ressourcen der BAO gebunden hat, die in diesem Zeitraum<br />

nicht für die Tatort- und Fallermittlungen in den Mordfällen<br />

Yasar und Boulgarides zur Verfügung gestanden haben.<br />

3.9. Umgang mit den Opferangehörigen<br />

Eine abschließende Bewertung, ob und gegebenenfalls in<br />

welchen Fällen den Ermittlungsbehörden ein unangemessener<br />

Umgang mit Angehörigen der Opfer vorgeworfen<br />

werden kann, ist nicht möglich. Dem Untersuchungsausschuss<br />

lagen weder die vollständigen Ermittlungsakten vor,<br />

noch wurden Angehörige der Mordopfer als Zeugen vernommen.<br />

Hierauf wurde im Einvernehmen aller Mitglieder<br />

des Untersuchungsausschusses verzichtet, um die traumatisierten<br />

Opferhinterbliebenen auch und gerade vor dem<br />

Hintergrund des Prozessbeginns vor dem Oberlandesgericht<br />

München nicht weiter zu belasten. Der Untersuchungsausschuss<br />

hat sich aber durch die Einsichtnahme in die Vernehmungsprotokolle<br />

der Opferangehörigen und die Zeugenaussagen<br />

der damals vernehmenden Beamten über diesen Komplex<br />

ein Bild verschaffen können.<br />

Wegen der fehlenden Ermittlungsakten konnte auch nicht<br />

festgestellt werden, welche Angehörigen im Einzelnen<br />

von verdeckten Ermittlungsmaßnahmen betroffen waren.<br />

Eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der richterlichen<br />

Beschlüsse, wie sie beispielsweise zum Abhören des<br />

außerhalb von Wohnungen gesprochenen Wortes im Mordfall<br />

Simsek 854 und zur Telekommunikationsüberwachung<br />

im Fall Boulgarides 855 notwendig gewesen waren, kann<br />

angesichts der richterlichen Unabhängigkeit nicht erfolgen.<br />

Welche bestimmten Tatsachen vorgelegen haben,<br />

aufgrund derer anzunehmen war, dass – wie es § 100 a<br />

S. 2 StPO zum Anordnungszeitpunkt verlangte – die von<br />

einer Telekommunikationsüberwachung betroffenen Angehörigen<br />

im Mordfall Boulgarides für den Täter bestimmte<br />

oder von ihm herrührende Mitteilungen entgegennehmen<br />

oder weitergeben oder dass der Täter ihren Anschluss<br />

benutzt, blieb offen. Angesichts der Schwere des Eingriffs<br />

in grundgesetzlich garantierte Rechtsgüter der Betroffenen<br />

begegnet es Bedenken, wenn Telekommunikationsüberwachungen<br />

gegenüber den Angehörigen von Mordopfer<br />

von Polizeibeamten als Standardmaßnahme bezeichnet<br />

werden.<br />

Bei den dem Untersuchungsausschuss vorliegenden Protokollen<br />

der zahlreichen Vernehmungen der Angehörigen der<br />

Mordopfer handelt es sich um die von den Ermittlungsbeamten<br />

angefertigten Verlaufsprotokolle und um keine Wortprotokolle.<br />

Die von einigen Angehörigen gegenüber Dritten<br />

geschilderten Vorhalte finden sich jedenfalls unmittelbar<br />

nicht in den dem Untersuchungsausschuss vorliegenden<br />

Protokollen wieder. Auch wenn bei einem Mordfall zunächst<br />

in alle Richtungen und deshalb auch im engen familiären<br />

Umfeld des Opfers ermittelt werden muss, erscheint es aber<br />

im Rahmen der Zeugenvernehmungen von Angehörigen der<br />

Mordopfer ab der Kenntnis des verbindenden Elements der<br />

Tatwaffe nach mehreren Morden nicht mehr kriminalistisch<br />

angezeigt, detailliert nach sexuellen Präferenzen, Scheinehen,<br />

Ehrenmorden oder ähnlich persönlichen Dingen nachzufragen,<br />

wenn schon bei sämtlichen Mordfällen zuvor aus<br />

entsprechenden Fragen keine weiterführenden Erkenntnisse<br />

erzielt werden konnten.<br />

Der Untersuchungsausschuss ist zu der Erkenntnis gelangt,<br />

dass aufseiten der Opferangehörigen keine „Mauer des<br />

Schweigens“ gegenüber den Ermittlungen bestanden hat.<br />

Die Opferangehörigen zeigten sich aussagebereit und kooperativ<br />

im Umgang mit den Ermittlungsbeamten. Anderslautende<br />

Aussagen, wie beispielsweise vom Staatsministerium<br />

des Inneren gegenüber der SZ im April 2006 geäußert,<br />

stellen eine Fehleinschätzung dar (siehe Sachverhalt Frage<br />

B.6.5.).<br />

852 BVerfG, a. a. O., Rn. 123.<br />

853 Akte Nr. 8/BY-4/3_Anlagen/1 Aktenordner PP Mittelfranken, Bl. 208.<br />

854 Geier, 20.02.2013, S. 5.<br />

855 Damalige Rechtsgrundlage: § 100c Abs. 1 Nr. 2 StPO a.F. mit Geltungszeitraum<br />

vom 1.1.2000 bis 29.6.2002.

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