Schlussbericht (Drs. 16/17740) - Bayerischer Landtag
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Seite 134 <strong>Bayerischer</strong> <strong>Landtag</strong> • <strong>16</strong>. Wahlperiode Drucksache <strong>16</strong>/<strong>17740</strong><br />
Entscheidend sind hier insbesondere die Regelungen, inwieweit<br />
V-Leute innerhalb des jeweiligen Beobachtungsobjekts<br />
eine steuernde oder führende Funktion haben dürfen. Die<br />
Problematik der steuernden Einflussnahme ist schon in der<br />
Dienstvorschrift von 1991 angesprochen. Die entsprechende<br />
Regelung wurde in zwei Schritten 1999 und 2010 verschärft.<br />
Die maßgeblichen Dienstvorschriften (VS-NfD) enthalten<br />
hierzu für den Untersuchungszeitraum folgende Regelungen:<br />
1991 1999 2010<br />
Ein VM darf weder<br />
die Zielsetzung<br />
noch die Tätigkeit<br />
des Beobachtungsobjektes<br />
entscheidend<br />
bestimmen.<br />
Die Auftragserteilung<br />
darf nicht<br />
dazu führen, dass<br />
der geheime Mitarbeiter<br />
Zielsetzung<br />
bzw. Tätigkeit des<br />
Beobachtungsobjekts<br />
maßgeblich<br />
bestimmt.<br />
Die Auftragserteilung<br />
oder das<br />
eigeninitiative Verhalten<br />
des geheimen<br />
Mitarbeiters dürfen<br />
nicht dazu führen,<br />
dass dadurch<br />
Zielsetzung bzw.<br />
Tätigkeit des Beobachtungsobjekts<br />
maßgeblich (mit-)<br />
bestimmt werden.<br />
Zur Frage ob V-Leute als nachrichtendienstliches Mittel<br />
auch künftig beibehalten werden sollten, bestehen im Untersuchungsausschuss<br />
unterschiedliche Auffassungen. Insoweit<br />
wird auf die Sondervoten verwiesen. Soweit am Einsatz von<br />
V-Leuten festgehalten werden soll, gilt nach einheitlicher<br />
Ansicht des Untersuchungsausschusses folgendes:<br />
Die obigen Regelungen, die sich nur in den Dienstvorschriften<br />
finden, müssen aufgrund ihrer elementaren Bedeutung<br />
für den V-Mann-Einsatz für die Zukunft im BayVSG<br />
geregelt werden.<br />
Dies entspricht auch einer Anregung der Bund-Länder-<br />
Kommission Rechtsterrorismus, wonach der Einsatz von V-<br />
Leuten künftig gesetzlich und nicht wie bisher nur in Dienstvorschriften<br />
geregelt werden sollte.<br />
2.1.1.3.2 Praxis<br />
Dem Untersuchungsausschuss war es aus Gründen der Geheimhaltung<br />
nicht möglich, sich ein umfassendes Bild über<br />
die Praxis der Führung von V-Leuten zu verschaffen. Es<br />
wurde dem Untersuchungsausschuss aber ermöglicht, sich<br />
durch die Kenntnisnahme von als Verschlusssache eingestuften<br />
Quellenberichten und mittels der Aussage von in<br />
der Quellenwerbung und Quellenführung tätiger Zeugen<br />
des Landesamts für Verfassungsschutz in geheimer Sitzung<br />
partielle Erkenntnisse über Umfang und Praxis der V-Mann-<br />
Führung in Bayern zu gewinnen. Die Mitglieder des Untersuchungsausschusses<br />
hatten die Möglichkeit, in den Räumlichkeiten<br />
des Landesamts für Verfassungsschutz Einsicht in<br />
die Führungsakten eines V-Mannes zu nehmen.<br />
Insgesamt hat der Untersuchungsausschuss den Eindruck,<br />
dass das Landesamt für Verfassungsschutz über viele Zugänge<br />
in die rechtsextremistische Szene verfügte und damit<br />
weitgehend flächendeckend über Quellen verfügte. Dies<br />
führte aber nicht dazu, dass das Landesamt für Verfassungsschutz<br />
von diesen Quellen Erkenntnisse über die Existenz<br />
und die Aktivitäten des NSU erlangt hätte.<br />
Kritikwürdig erscheint dem Untersuchungsausschuss aber,<br />
dass Mitte/Ende der 90er-Jahre offensichtlich ein V-Mann im<br />
Einsatz war, der zum einen von außen erst in die rechtsextremistische<br />
Szene eingeschleust worden ist und zum anderen<br />
dort auch eine maßgeblich steuernde Funktion innehatte. 821<br />
Dem Untersuchungsausschuss ist bewusst, dass sich der Einsatz<br />
von V-Leuten immer in einem Spannungsfeld zwischen<br />
den Grenzen rechtsstaatlichen Handels und dem Interesse an<br />
bestmöglicher Informationsgewinnung bewegt. Er stellt fest,<br />
dass nach der aktuellen Dienstanweisung das Verhalten von<br />
V-Leuten die Zielsetzung des Beobachtungsobjekts nicht<br />
maßgeblich mitbestimmen darf.<br />
Dennoch sieht der Untersuchungsausschuss umfangreichen<br />
Verbesserungsbedarf bei der Führung der V-Leute durch das<br />
Landesamt für Verfassungsschutz. Die aktuelle Dienstvorschrift<br />
für die Extremismusbeobachtung vom 24.09.2010<br />
sieht verschiedene Maßnahmen zur Sicherstellung der Anforderungen<br />
an die Quelle und deren Führung vor. Insbesondere<br />
ist dort eine Einbindung der Vorgesetztenebene bis hin<br />
zum Präsidenten in die Werbung und Führung der V-Person<br />
aufgrund laufender Berichtspflichten „von unten nach oben“<br />
vorgesehen. Quelleneinsätze werden zudem bereits jetzt<br />
jährlich evaluiert, angesichts dessen auch eine Prognose über<br />
den weiteren Quelleneinsatz erfolgt. Eine spezielle zentrale,<br />
außerhalb der Linienorganisation angesiedelte Organisationseinheit,<br />
die sich mit der Überprüfung von Quelleneinsätzen<br />
befasst, gibt es jedoch im Landesamt für Verfassungsschutz<br />
nicht; über deren Schaffung muss nach Ansicht des<br />
UA nachgedacht werden.<br />
2.1.2. Bayerische Polizei (Staatsschutz)<br />
Es gibt nahezu bei jeder Dienststelle der Kriminalpolizei in<br />
Bayern Staatsschutzkommissariate. Der Untersuchungsausschuss<br />
hat sich auf die Frage konzentriert, welche Erkenntnisse<br />
den Staatsschutzdienststellen bei den Polizeibehörden<br />
in Bayern über die Mitglieder des NSU und deren mögliches<br />
Unterstützerumfeld vorlagen. Hierzu lag dem Untersuchungsausschuss<br />
umfangreiches Aktenmaterial vor und es<br />
wurden entsprechende Zeugen vernommen.<br />
Festzustellen ist, dass der polizeiliche Staatsschutz – soweit<br />
sich dies aus den vorliegenden Akten beurteilen lässt – aufgrund<br />
seiner hohen Kontrolldichte genaue Kenntnisse über<br />
öffentliche Treffen von Rechtsextremisten hat und durch intensive<br />
Personenkontrollen auch genau feststellt und dokumentiert,<br />
welche Personen an den einzelnen Veranstaltungen<br />
teilnehmen. So verfügte der polizeiliche Staatsschutz zum<br />
Beispiel auch über sehr umfangreiche Erkenntnisse über<br />
die Person und die Aktivitäten des Rechtsextremisten Tino<br />
Brandt.<br />
821 vgl. Sachverhalt A.1.4.