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Das Argument 71 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Krankheitsverhalten bei psychischen Störungen 103<br />

mittelbar eine entsprechende therapeutische Aktivität erlaubt, wäre<br />

zu wünschen. Die Ausbildung müßte vor allem auch Personen erfassen,<br />

die aus unterschiedlichen Schichten kommen, um nicht die<br />

übliche schichtspezifische Ausbildung in kleinerem Maßstab zu wiederholen.<br />

Nur durch therapeutisch-tätige Angehörige der Zielgruppe<br />

kann ein Hauptfaktor der Dissoziation, die soziale Distanz, in soziale<br />

Nähe verwandelt werden 10 . Im sozialen Feld bietet sich die Gruppentherapie<br />

sozialpsychologischer Schlüsselfiguren an, die selbst im<br />

therapeutischen Sinne weiterwirken können. Im Rahmen der Studentenberatung<br />

versuchen wir in diesem Sinne ein Konzept „Psychotherapeutische<br />

Tutoren" zu realisieren. In den USA hat sich <strong>für</strong> die<br />

Gesamtmedizin innerhalb dieser Lücke im Ausbildungskontinuum in<br />

den letzten Jahren sehr schnell ein Berufsmodell entwickelt, die<br />

sogenannten „Paramedics", die bei begrenzter Ausbildung einfache<br />

ärztliche Maßnahmen durchführen (ähnlich auch UdSSR) und die<br />

Spezialisten entlasten 11 . In der Psychotherapie ist nur über einen<br />

sehr breiten Therapeuten-Paratherapeuten-Verbund ein adäquates<br />

Krankenverhalten bzw. eine vorsorgende psychosoziale Betreuung<br />

der Bevölkerung erreichbar.<br />

Der folgende Schritt geht noch darüber hinaus: es geht nicht nur<br />

um Schulung, sondern um Aktivierung der therapeutischen Funktion<br />

bei Laien und Kranken. Voraussetzung ist ein neues Verständnis des<br />

Krankenverhaltens. Die Umwertung erfolgt durch die Anerkennung<br />

der curativen, der heilenden Anteile gegenüber den gestörten Anteilen<br />

im Krankenverhalten. <strong>Das</strong> Verhalten gegenüber der Krankheit<br />

kann auch als der spontane Versuch therapeutischen Verhaltens<br />

aufgefaßt werden. <strong>Das</strong> wäre der Schritt von der Therapie des Krankenverhaltens<br />

— wie bisher besprochen — zum Krankenverhalten<br />

als Therapie. Damit erscheinen die bisher als gefährlich angesehenen<br />

Selbstbehandlungen auch als eine therapeutische Chance. Dieser<br />

Schritt stößt in dem deutschen Sprachraum auf Ablehnung und mobilisiert<br />

bei denen, die sich therapeutisch verantwortlich fühlen, noch<br />

Angst. In angelsächsischen Ländern dagegen ist da<strong>für</strong> bereits der<br />

Terminus promotion (vgl. Strotzka 1965) üblich. Damit ist sowohl<br />

Aufgreifen sich entwickelnder, wie Mobilisieren noch nicht vorhandener<br />

therapeutischer Aktivitäten in der Bevölkerung gemeint. Der<br />

Therapeut setzt hier also nur therapeutische Prozesse in Gang. Ob<br />

zu dieser Promotion eine Supervision hinzukommt, ist eine andere<br />

Frage. Aus dieser Aktivität resultiert die Mental Healt-Bewegung in<br />

den USA (Strotzka 1965). Die Aktivierung des curativen Ichs erfolgt<br />

bei uns in vorsichtigen Ansätzen: etwa in den Patientenclubs nach<br />

erfolgter psychiatrischer Behandlung. Ein Beispiel in der Studenten-<br />

10 Ein Kernproblem wird hier natürlich der Bezahlungsmodus sein,<br />

was sich am besten im Rahmen eines neuen Berufsbildes (bzw. Nebenberufsbildes)<br />

lösen ließe (vgl. weiter unten „Paramedics").<br />

11 Im Behandlungsmodell der „Therapeutischen Gemeinschaft" führen<br />

ja bereits Schwestern selbständig psychotherapeutische Gespräche mit<br />

Patienten durch.

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