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Das Argument 71 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Psychopathie? Soziopathie? 73<br />

Konflikte im Elternhaus waren häufig (Bennett 39, S. 214). Im Gegensatz<br />

aber zu Sozialisationsmustern, die zu psychotischen Belastungen<br />

Anlaß geben, waren hier die Konflikte nicht durch eine Pseudogemeinschaftlichkeit<br />

(Wynne) 40 verdeckt, sondern wurden in aller Offenheit<br />

und Brutalität ausgetragen (Habermas u. Döbert 41 , zit. nach Moser 21).<br />

<strong>Das</strong> Verhalten der Eltern richtete sich vor allem nach den eigenen<br />

Launen und Stimmungen, Strafen und Belohnungen wurden weniger<br />

vom Verhalten des Kindes abhängig gemacht, sondern erfolgten<br />

nach den Bedürfnissen und Notwendigkeiten der elterlichen Affektabfuhr<br />

(Kohn 42 , S. 366). Offene Zuneigung zu zeigen war bei den<br />

Eltern späterer Soziopathen in einem hohen Prozentsatz verpönt<br />

(Vater: 65 %>, Mutter: 52 %), während dies bei der Kontrollgruppe<br />

nur bei 23 bzw. 12 % der Fall war (Andry) 38. Doppelt so häufig wie<br />

bei der Kontroll-Gruppe erfolgten die Strafen bei den späteren Soziopathen<br />

ohne Vorwarnung (Andry 38, S. 76) und nachträgliche Erklärung<br />

(Nye 43, S. 87). Sündenbock-Projektionen (Bell u. Vogel) 44<br />

waren bei den Eltern späterer Soziopathen ebenfalls häufig, ließen<br />

aber eine Stabilität und Konsistenz der Rollenprojektion vermissen.<br />

Schließlich konnte gezeigt werden, daß das durchschnittliche Niveau<br />

der elterlichen Erwartungen hinsichtlich des schulischen und beruflichen<br />

Erfolges ihrer Kinder bei späteren Soziopathen signifikant niedriger<br />

lag als bei der Kontrollgruppe (Bandura u. Walters 31, S. 209),<br />

was sich natürlich auch auf die Motivationsstärke der Kinder in der<br />

Schule und im Beruf auswirken mußte. Wie bereits erwähnt, wurde<br />

bei diesen Untersuchungen, um den Soziopathiefaktor besser zu erfassen,<br />

ein Großteil der allgemeinen Milieubedingungen (elterliche<br />

Berufe, Wohnbedingungen etc.) durch kontrollierte Paarung konstant<br />

gehalten.<br />

3. Milieu- und schichtspezifische Sozialisation<br />

Die amerikanischen Arbeiten, die versuchen, die Resultate der<br />

Sozialisierungsforschung und diejenigen der ökologisch-epidemiologischen<br />

Milieuforschung zusammenfassend zu integrieren, finden sich<br />

ebenfalls in Mosers 21 Buch referiert. Moser 21 versucht außerdem,<br />

diese Arbeiten in einen zusammenhängenden theoretischen Rahmen zu<br />

stellen. Dabei geht es darum, festzuhalten, welches sozioökonomische<br />

Milieu die Inkonsistenz der elterlichen Erwartungen sowie die Inkonstanz<br />

und die Schwäche der Identifikationsangebote und der<br />

40 Wynne, Lyman C., Irving M. Ryckhoff, Juliane Day, u. Stanley J.<br />

Hirsch: Pseudomentuality in the Family Relations of Schizophrenics.<br />

Psychiatry, 21 (1958), S. 205—220.<br />

41 Habermas, Jürgen, und Döbert: Arbeitspapier <strong>für</strong> das Forschungsseminar<br />

über Jugendkriminalität. II. Sommersemester 1969, Frankfurt,<br />

zit. nach T. Moser.<br />

42 Kohn, Melvin: Social Class and Parental Values. In: Am. J. Soc., 64<br />

(1959), S. 366.<br />

43 Nye, F. Ivan: Family Relationship and Delinquent Behaviour. New<br />

York-London 1958, S. 85 ff.<br />

44 Bell, Norman W., and Ezra F. Vogel: The Family. New York 1960.

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