Das Argument 71 - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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Soziale Rolle und politische Emanzipation 129<br />
Die Rollentheorie läßt davon schon in ihrem Ansatz etwas mit anklingen:<br />
indem im Begriff der Rolle ein Moment des Spielerischen<br />
der freien Verfügbarkeit über sich selbst, mit eingegangen und aufgehoben<br />
ist, enthält er ein utopisches Element, das, kritisch gewendet,<br />
auf das Ziel der Emanzipation verweist: die Überwindung eines<br />
Rollensystems, das die Mehrheit der Menschen in die Zwangsjacke<br />
bloßer Vollzugsnormen steckt und die Etablierung eines Rollensystems,<br />
dessen Gestaltungsnormen 38 die Selbstentfaltung der Individuen<br />
nicht nur ermöglicht, sondern zum Erwarteten macht, einer<br />
Gesellschaft, in der der metaphorische Charakter des Rollenbegriffs<br />
erst seinen realen gesellschaftlichen Inhalt bekommen hätte.<br />
gäbe erfüllt, die von der Partei <strong>für</strong> wichtig gehalten wird. Vgl. dazu: Manfred<br />
Vorwerg, Grundgedanken zu einer <strong>Theorie</strong> der Sozialrolle im „Kapital"<br />
von Karl Marx, in: Georg Mende/Erhard Lange, „Die aktuelle philosophische<br />
Bedeutung des .Kapital' von Karl Marx", Berlin 1968, S. 160<br />
bis 164, und Gisela Vorwerg, Führungsfunktion in sozialpsychologischer<br />
Sicht — Theoretisches Modell und empirische Analysen zur Rolle des<br />
sozialistischen Leiters und des Führungskollektivs. Berlin 19<strong>71</strong>. — Wäre<br />
Peter Furth mit einem solchen Rollenbegriff geholfen? „Als Rollenhaftigkeit<br />
entspricht der Rollenbegriff der Kapitalisierung der Gesellschaft, in<br />
deren Verlauf das Kapital seine .bornierten Formen' abgestreift hat und<br />
als solches der Arbeit nicht mehr als einer bestimmten gegenübersteht,<br />
sondern der Arbeit in ,der Totalität und Abstraktion'" (P. Furth, op. cit.,<br />
S. 522). Demnach dürfte es schon in der Transformationsgesellschaft keine<br />
Normen und Verhaltensweisen mehr geben, die sich noch sinnvoll mit dem<br />
Rollenbegriff beschreiben ließen, jedenfalls nicht mit einem Rollenbegriff,<br />
der mit der Rollenhaftigkeit des Verhaltens generell rechnet. Tatsache ist,<br />
daß die Individuen auch dort nicht gefragt werden, welche Rollen sie zu<br />
spielen haben, daß ihnen die Mündigkeit zur Mitsprache über ihre Bedürfnisse<br />
vorenthalten, beziehungsweise abgesprochen wird, es sei denn,<br />
sie identifizierten sich fraglos. Die tendenzielle Abstraktheit und Gleichgültigkeit<br />
der Arbeit und mit ihr aller anderen Rollen, die in der Tat mit<br />
dem Kapitalismus entsteht und ein Ergebnis der Kapitalisierung auch noch<br />
der Transformationsgesellschaften ist, wird noch nicht mit der Herrschaft<br />
des Marktes überwunden, sondern offenbar erst mit der Herrschaft der<br />
Fremdbestimmung überhaupt, erst in einer Gesellschaft, die sich in rationaler<br />
Diskussion ihre Ziele setzt und ihre Aufgaben teilt, einer Gesellschaft,<br />
gegenüber deren Rollen man sich mit Engagement und Distanz<br />
zugleich verhalten könnte.<br />
38 Über Vollzugsnormen und Gestaltungsnormen siehe meine Ausführungen,<br />
a.a.O., S. 137 ff.