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Das Argument 71 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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166 Besprechungen<br />

seiner Kasuistik zu konkretisieren. Denn ob die untersuchten Beziehungen<br />

nun tatsächlich von Patrialtrieben oder aus deren Unterdrückung<br />

resultierenden Perversionen dominiert werden, erfährt<br />

man nicht. C. deutet nur einmal das Vorwiegen von oralen Zügen an.<br />

Ebensowenig konkret ist die Darstellung der Vorgeschichte der<br />

Probanden. Es wird weder gesagt, ob ihre Ehen besonders frustrierend<br />

oder einfach durchschnittlich befriedigend waren, noch wird<br />

ihre Kindheit auf Anzeichen <strong>für</strong> die spätere Gestaltung der Liebesbeziehungen<br />

untersucht. Damit bleiben die Gründe, die C. <strong>für</strong> die<br />

Trennungen angibt, abstrakt: 1. Die Beziehungen werden dem gesellschaftlich<br />

vermittelten Über-ich geopfert. 2. Trennungen sind in<br />

ihnen schon angelegt, denn sie können verstanden werden als zum<br />

Scheitern verurteilte Versuche, die nicht bewältigte erste Trennung<br />

von der Mutter in immer neuen Abläufen des Wiederholungszwangs<br />

zu bewältigen. 3. Die Abwehrmechanismen im Ich gegen die Ichentleerung<br />

in der „asozialen" Liebe streben die Trennung an (besonders<br />

z. B. die Angst vor Verschlungenwerden in einer oral betonten<br />

Beziehung).<br />

Im ersten Teil des Buches stellt C. anhand von Fallbeispielen die<br />

Trennung als eine „Phänomenologie des Todes" dar. Psychischer Tod<br />

ist <strong>für</strong> ihn vor allem „Sterben im Bewußtsein". Vergessen, Verdrängen,<br />

Gleichgültigwerden seien nicht harmlose, weil normale psychische<br />

Mechanismen, sondern „Mord im Namen des Lebens, und auch<br />

Selbstmord des Bewußtseins" (21).<br />

C. weigert sich, die lebensabwehrenden Kampf- und Vernichtungsfunktionen<br />

der Abwehrmechanismen rein funktional zu sehen;<br />

ebenso seine Probanden, die das langsame Sterben des anderen im<br />

eigenen Bewußtsein nicht einfach als notwendig <strong>für</strong> ihre Selbsterhaltung<br />

hinnehmen, sondern schmerzlich als Kapitulation vor dem<br />

Tod im Leben erfahren.<br />

Die Mechanismen, welche die Ich-Katastrophe einer zusammenbrechenden<br />

starken Identifikation, den Objektverlust, abwehren<br />

sollen, enden in der Ideologisierung entweder des Partners oder der<br />

„notwendigen" Trennung. Die Ambivalenz zwischen Haß und Liebe,<br />

zwischen Ja und Nein zur Trennung, in die der Getrennte zurückgeworfen<br />

wird, erstarrt zur Eindeutigkeit des falschen Bewußtseins.<br />

Macht die Trennung ideologieanfällig, so ist bejahte Liebe dagegen<br />

auch immer richtiges Bewußtwerden. Daß dieses Ja unter den gegebenen<br />

Umständen allerdings nicht möglich ist, gesteht C. ein. Befreiung<br />

der Liebe, Selbstsublimierung der unterdrückten Partialtriebe<br />

sei erst in einer befreiten sozialistischen Gesellschaft möglich.<br />

Die geschilderten Versuche der Selbstheilung (nach dem Modell der<br />

Übertragungsheilung), der Protest der Partialtriebe in der Leidenschaft<br />

mißlangen, das Leistungsprinzip habe gesiegt. Und es werde<br />

immer siegen, solange die Rebellion in einer auf Privateigentum an<br />

Produktionsmitteln beruhenden, leistungsorientierten Gesellschaft<br />

stattfinde.<br />

Von vornherein vergeblich mag jener Protest auch einer Psychoanalyse<br />

erscheinen, die das Ziel des Wiederholungszwangs, unter

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