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Das Argument 71 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Bedingungen <strong>für</strong> die Prävention psychischer Störungen 21<br />

primären Prävention entwickeln oder akzeptieren. Daher sehen auch<br />

heute noch führende Psychiater die Möglichkeiten primärer Prävention<br />

vorwiegend in der Einflußnahme auf potentielle organische<br />

Ursachen psychischer Störungen 27 .<br />

Es bedarf jedoch nur weniger Überlegungen, um zu sehen, daß<br />

konsequente Versuche der Prävention sehr schnell in die Diskussion<br />

umfassenderer Probleme münden. Nehmen wir zwei Beispiele. Man<br />

muß annehmen, daß die in Massenmedien gezeigte und massenweise<br />

aufgenommene Brutalität psychische Schäden hervorruft 28 . Geht<br />

man diese Frage wissenschaftlich an — und das heißt u. a., denkt man<br />

konsequent weiter —, so kann man sich nicht damit begnügen, diese<br />

Erscheinung zu registrieren und zu beklagen, sondern man muß fragen,<br />

welche sozialen Bedingungen, welche Interessen usw. vorliegen,<br />

aufgrund deren es zu der massenhaften Darstellung von Brutalität in<br />

den Massenmedien kommt. Ähnlich wird man sehr schnell auf die<br />

Fragen der Familienstruktur kommen, wenn man weiß, daß das Erziehungsverhalten<br />

der Eltern eine erhebliche Bedeutung hat <strong>für</strong> die<br />

Entstehung psychischer Störungen bei Kindern (vgl. Abschn. 4.1.2.<br />

und 4.3.2.). Es ist daher auch kein Zufall, daß in der neueren Literatur<br />

zur Prävention nun auch die Struktur von <strong>Institut</strong>ionen und dgl.<br />

behandelt wird. So diskutiert Kelly (1970) als Methoden präventiver<br />

Intervention neben Beratungstätigkeit vor allem Veränderung der<br />

Struktur und Organisation von <strong>Institut</strong>ionen und von Gemeinden.<br />

Bei solchen Überlegungen verliert man leicht den festen Boden<br />

unter den Füßen: es scheint kaum etwas zu geben, was nicht mit<br />

primärer Prävention zusammenhinge, angefangen von der frühkindlichen<br />

Sozialisation bis zu den allgemeinen Lebensbedingungen.<br />

Um die scheinbar fruchtlose Ausweitung der Präventionsproblematik<br />

in den Griff zu bekommen, wird im folgenden unterschieden<br />

zwischen „nicht-spezifischer Prävention" 28 und „spezifischer Prävention".<br />

Nicht-spezifische Prävention geschieht aufgrund solcher Gegebenheiten,<br />

die zwar unter anderem auch einen Einfluß auf die<br />

Entstehung oder Beseitigung von psychischen Störungen haben, die<br />

jedoch in erster Linie unter generelleren Aspekten zu betrachten sind.<br />

Forderungen nach optimaler Gestaltung dieser Bedingungen sind im<br />

Interesse des allgemeinen gesellschaftlichen Fortschritts zu stellen,<br />

nicht nur wegen ihrer psychiatrischen Präventionswirkung. Ein Beispiel<br />

ist die pathogene Wirkung der Armut (vgl. Abschn. 4.1.3.). Armut<br />

innerhalb eines reichen Landes ist ein Phänomen, das man in<br />

erster Linie unter politischen und ökonomischen Gesichtspunkten be-<br />

27 so z.B. Strotzka 1970; v. Bayer 1969; hier sind nur zwei Autoren<br />

genannt, die über das Thema Prävention geschrieben haben — wenn man<br />

Psychiater nach ihrem Verhalten, u. a. nach dem beurteilen würde, was sie<br />

nicht tun, dann müßte diese Reihe von Psychiatern sehr verlängert<br />

werden.<br />

28 vgl. VIOLENCE AND THE MASS MEDIA, 1968, S. 8—17, 118 ff.;<br />

Mosse 1963.<br />

29 in Anlehnung an einen Ausdruck von Ziferstein 1966, S. 227.

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