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Das Argument 71 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Bedingungen <strong>für</strong> die Prävention psychischer Störungen 15<br />

erster Linie der Therapie zugewendet zu haben: man denke etwa an<br />

die Kritik, die von Seiten der Psychoanalyse oder gewisser Richtungen<br />

in der Sozialpsychiatrie geleistet wurde. Freud z. B. sah die Hilfe<br />

<strong>für</strong> die Masse der psychisch Kranken primär in einer massenhaft<br />

betriebenen Psychoanalyse 7 , und auch die verdienstvollen Ansätze<br />

der therapeutischen Gemeinschaft 8 setzen erst bei den schon Erkrankten<br />

an. Zu einem Teil kann man die trotz <strong>kritische</strong>r Einstellung<br />

zu geringe Durchsetzung präventiver Bestrebungen auf eine Voreingenommenheit<br />

zugunsten eines individuenzentrierten Ansatzes<br />

und individueller Psychotherapie zurückführen 9 .<br />

In dem vorliegenden Artikel wird unterstellt, daß die Forderung<br />

nach einem präventiven Ansatz sinnvoll ist, d. h. daß die medizinische<br />

Versorgung auch im Bereich der psychischen Störungen soweit<br />

wie möglich vorbeugend ausgerichtet sein sollte.<br />

Die Überlegungen beziehen sich in erster Linie auf die institutionellen<br />

Voraussetzungen, die vorliegen müssen, wenn Prävention<br />

psychischer Störungen wirksam und umfassend erfolgen soll. Es wird<br />

gezeigt, nach welchen Prinzipien eine solche Versorgung entsprechend<br />

dem heutigen Stand der Forschung aufgebaut sein müßte. Dabei<br />

ist unerläßlich, auch die gesellschaftlichen Voraussetzungen <strong>für</strong><br />

die Errichtung und <strong>für</strong> die Wirksamkeit einer präventiv orientierten<br />

psychiatrischen Versorgung zu diskutieren.<br />

Man muß davon ausgehen, daß in der nächsten Zukunft eine vollständige<br />

primäre Prävention (d. h. die Verhinderung von Leiden von<br />

vornherein) — auch unter sozialistischen Produktionsverhältnissen —<br />

nicht möglich sein wird. Jedoch kann die psychiatrische Versorgung<br />

soweit eben möglich präventiv orientiert sein.<br />

Was man jeweils unter „psychischen Störungen", „psychischen<br />

Erkrankungen" oder dgl. versteht, ist bis zu einem gewissen Grade<br />

durch die sozialen, historisch gegebenen Verhältnisse bestimmt. Die<br />

vorliegende Untersuchung sieht von einer speziellen Definition des<br />

Krankheitsbegriffs ab, da die Probleme, um die es hier geht, <strong>für</strong><br />

verschiedene Varianten der Krankheitsdefinition allgemein behandelt<br />

werden können. Daher wird der besonders weite Begriff „psychische<br />

Störungen", <strong>für</strong> die Bezeichnung von einzelnen Fällen auch<br />

der Begriff „psychische Erkrankung", verwendet. Gemeint sind jeweils<br />

alle diejenigen Verhaltens- und Erlebensweisen von Individuen,<br />

die nach dem derzeitigen Stand der Erkenntnis das Eingreifen einer<br />

psychiatrischen oder psychologischen <strong>Institut</strong>ion erforderlich machen.<br />

2. Geschichtliche Entwicklung des Präventionsgedankens<br />

auf dem Gebiet der psychischen Störungen<br />

2.1. Gesellschaftlicher Fortschritt und der Umgang mit<br />

den psychischen Störungen<br />

7 Freud, S.: Collected papers, vol 2, London 1950, S. 401 f., zit. n. Fried<br />

1958, S. 208.<br />

8 z. B. Jones 1968; Maller 19<strong>71</strong>.<br />

9 so z. B. Eisenberg 1966.

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