Das Argument 71 - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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24 Rainer Seidel<br />
Maßnahmen nicht durch zufällige Gelegenheit oder durch vereinzelte<br />
Initiative durchführbar sind, sondern eines organisierten Versorgungssystems<br />
bedürfen. Der Umweg, der durch den Abschnitt 2c<br />
angegeben wird, soll schließlich zum Ausdruck bringen, daß die Wirkung<br />
der gezielten präventiven Maßnahmen wiederum beeinflußt<br />
wird von den Arbeits- und Lebensbedingungen.<br />
Spezifische Kausalmodelle der Entstehung psychischer Störungen<br />
sind in dem Schema nicht impliziert. Es gehen nur folgende Vorstellungen<br />
mit ein. In allgemeinster Form kann man die Entstehung<br />
psychischer Störungen so beschreiben: Eine Reihe von Faktoren verursachen<br />
unter bestimmten Bedingungen psychische Störungen. Was<br />
man im Einzelfall dabei als kausalen Faktor und was als Bedingung<br />
beschreibt, hängt von dem speziellen Modell ab, das man zugrunde<br />
legt. Heute wird die Entstehung psychischer Störungen durchgängig<br />
als „multikausal", „multifaktoriell", „multikonditional" u. ä. beschrieben,<br />
d. h. daß jeweils mehrere Dimensionen in Rechnung gestellt<br />
werden müssen, z. B. körperliche, psychologische und soziale<br />
Dimensionen. Diese allgemeinen Vorstellungen sagen fast gar nichts<br />
aus; aber es folgt eine gewisse Präzisierung der Mechanismen, die<br />
Prävention bewirken: Wenn bestimmte Faktoren und Bedingungen<br />
psychische Störungen verursachen, so ist es offenbar die Modifikation<br />
dieser Faktoren oder dieser Bedingungen, die eine Prävention bewirkt.<br />
4. Nicht-spezifische Prävention<br />
Wir wenden uns nun der Beziehung zu, die in dem Schema durch<br />
Pfeil 1 dargestellt ist; sie ist gleichbedeutend mit der Aussage: durch<br />
Veränderung in den Arbeits- und Lebensverhältnissen kann eine<br />
Erniedrigung des Krankenstands auf unmittelbarem Weg erfolgen,<br />
d. h. solche Veränderungen bewirken primäre Prävention — wobei<br />
es jetzt nicht wichtig ist, ob der Einfluß der Arbeits- und Lebensbedingungen<br />
als Ursache oder als fördernde bzw. hemmende Bedingung<br />
zu sehen ist. Die Frage der pathogenen gesellschaftlichen Bedingungen<br />
sind äußerst komplex und können in unserer Darstellung<br />
nur exemplarisch diskutiert werden.<br />
4.1. Pathogene gesellschaftliche Bedingungen, die <strong>für</strong><br />
kapitalistische Gesellschaften charakteristisch sind<br />
Man kann die pathogene Wirkung gesellschaftlicher Strukturen<br />
nicht durch bloße Aufzählung mehr oder minder zufällig gefundener<br />
Einzelergebnisse ableiten. Wichtig ist zu erkennen, daß die Alternativen<br />
gesellschaftlicher Strukturen — und das sind in der heutigen<br />
Epoche Kapitalismus und Sozialismus — in ihren Grundlagen und<br />
damit prinzipiell verschieden voneinander sind. Dieser grundlegende<br />
Unterschied manifestiert sich in jeweils einzelnen Erscheinungen;<br />
dabei können durchaus einige Gegebenheiten — rein oberflächlich<br />
betrachtet — in den gegensätzlichen Gesellschaftssystemen gleich<br />
erscheinen. In der kapitalistischen Gesellschaft wird der gesellschaftlich<br />
produzierte Reichtum privat angeeignet. Dieser Widerspruch be-