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Das Argument 71 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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154 Besprechungen<br />

möglichkeiten, zur gleichzeitigen Erfassung und Verminderung von<br />

Komplexität. Gesellschaft institutionalisiert „letzte, grundlegende"<br />

Leistungen dieser Art (16) durch die Konstitution von „Sinn", der<br />

„als Identität eines Zusammenhanges von Möglichkeiten" erscheint<br />

(48). Sinn hält „Mögliches und Nichtmögliches" (48) mit Hilfe von<br />

freilich faktisch durchkreuzbaren Negationen zusammen und ermöglicht<br />

hierdurch jene „verständliche Kombination des gemeinten Sinnes<br />

von Handlungen", welche die Identität des sozialen Systems bezeugt<br />

(83). Gesellschaft begründet sich als sinnhafte Reduktion übermäßiger<br />

Komplexität von Welt. Entscheidend, so scheint mir, ist hier<br />

der Gedanke, daß gesellschaftliche Systembildung funktional in die<br />

Totalität der Welt einbezogen ist, eine Vorstellung, die der Sozialtheorie<br />

den Gegenstandsbereich zurückgewinnen hilft, auf den sie<br />

gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts verzichten zu können<br />

glaubte.<br />

Habermas' <strong>kritische</strong> <strong>Theorie</strong> der Gesellschaft will von einer noch<br />

zu entwickelnden <strong>Theorie</strong> „kommunikativer Kompetenz" ihren Ausgang<br />

nehmen, welche das Problem der praktischen Herbeiführung<br />

der empirischen Bedingungen hinterfragt, unter denen sich ideale<br />

Diskurs- und Interaktionssituationen verwirklichen lassen (141). Im<br />

Unterschied zur empirisch-analytisch verfahrenden und die Positivität<br />

ihres Gegenstands unterstellende Interaktionswissenschaft wollen<br />

Habermas' Vorarbeiten zu einer <strong>Theorie</strong> der kommunikativen Kompetenz<br />

die Konstitution sozialer Kommunikationsbeziehungen in<br />

einer <strong>Theorie</strong> der Bedingungen möglicher Rede überhaupt erhellen.<br />

Die Bedingungen möglicher Kommunikation miteinander sprechender<br />

und Aussagen treffender Subjekte werden mit Hilfe sprachlich<br />

gegebener „dialogkonstituierender Universalien" durch die Sprecher<br />

„erzeugt", die „damit die Sprechsituation erst hervorbringen" (110).<br />

Die so erstellte, sei's diskursive, sei's interaktive Kommunikation<br />

schließt tragfähigen Konsens ein, der sich nur als wahrer Konsens als<br />

ein solcher bewährt. Die Wahrhaftigkeit von Verständigung aber<br />

erweist sich „nur durch Bezugnahme auf eine ideale Sprechsituation"<br />

(136), in der zwanglose Kommunikation unverzerrte Übereinstimmung<br />

erzeugt, und auf „ein Modell reinen kommunikativen Handelns"<br />

(140), so daß in aller möglichen Kommunikation idealer Diskurs<br />

und ideale Interaktion unterstellt und wirksam sind. Gesellschaft<br />

begründet sich durch einen Vorgriff auf sinnhafte Interaktion<br />

kommunikativ kompetenter Menschen, der als „konstitutiver Schein"<br />

Grundbedingung aller möglichen Kommunikation ist (140). Wesentlich<br />

an diesem Ansatz scheint mir der Gedanke zu sein, daß menschliche<br />

Vergesellschaftung sich in überindividueller Praxis konstituiert,<br />

die antizipativ auf diskursiv gerechtfertigte gesellschaftliche<br />

Verhältnisse Bezug nimmt, eine Vorstellung, welche eine Zentralidee<br />

frühbürgerlicher Gesellschaftslehre in die Soziologie zurückholt.<br />

Hauptteil des Buches sind zwei im Anschluß an die Positionspapiere<br />

abgedruckte Abhandlungen, in denen Habermas und Luhmann<br />

diese Soziologiekonzeptionen diskutieren. Habermas erblickt in<br />

der Luhmannschen Systemtheorie vor allem eine um die Dimension

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