Das Argument 71 - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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36 Rainer Seidel<br />
Patient wird, falls Nachbetreuung als nötig angesehen wird und er<br />
nicht wieder zur Behandlung kommt, zu Hause aufgesucht.<br />
Schulen ab einer Größe von 800 Schülern haben einen eigenen<br />
medizinischen Dienst mit einem ausschließlich hier<strong>für</strong> tätigen Arzt<br />
und einer Krankenschwester. Ihre Hauptaufgabe ist die Früherkennung<br />
und -behandlung von Krankheiten. Jedes Jahr findet eine körperliche<br />
Untersuchung aller Kinder statt. Der schulmedizinische<br />
Dienst sorgt auch <strong>für</strong> die psychiatrisch-psychologische Betreuung.<br />
Kinder mit Sprach- und Lernschwierigkeiten und geistig zurückgebliebene<br />
Kinder werden zu spezieller Behandlung oder in spezielle<br />
Schulen überwiesen. Große Betriebe mit 4000 bis 6000 Beschäftigten<br />
besitzen eigene Polikliniken. Kleinere Betriebe sind mit einem<br />
geringer ausgestatteten medizinischen Dienst versehen oder werden<br />
von der örtlichen Poliklinik versorgt. Die Beschäftigten der werksärztlichen<br />
Dienste werden von der lokalen Gesundheitsbehörde bezahlt<br />
65 .<br />
5.2. Charakteristika der psychiatrischen Versorgung in der SU<br />
5.2.1. Verbindung von Therapie und Arbeit<br />
Den Patienten wieder arbeitsfähig zu machen, heißt in der sozialistischen<br />
Gesellschaft nicht, wie in den kapitalistischen Ländern, ihn<br />
zu einer ihm fremden Betätigung zurückzuführen, über deren Produkte<br />
nicht nach gesellschaftlichen Interessen, sondern nach den Interessen<br />
der Privateigentümer an den Produktionsmitteln entschieden<br />
wird; es heißt vielmehr, ihm zu helfen, seiner eigentlichen Bestimmung,<br />
der gesellschaftlichen Produktion und Konsumtion, nachzukommen.<br />
Daher muß und kann in einer sozialistischen Gesellschaft<br />
die Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit im Mittelpunkt aller therapeutischen<br />
Bestrebungen stehen. In der sowjetischen Psychiatrie wird<br />
<strong>für</strong> jeden Patienten mit Beginn der therapeutischen Bemühungen<br />
geplant, wie er zu seiner ursprünglichen Tätigkeit zurückkehren kann<br />
oder — wenn dies nicht möglich ist — welche andere Tätigkeit er ausüben<br />
kann. Die Therapie selbst besteht zu einem großen Teil in einer<br />
sorgfältig bestimmten Arbeitstätigkeit. Dazu steht eine Vielzahl von<br />
arbeitstherapeutischen Einrichtungen zur Verfügung, die durch qualifiziertes<br />
Personal geleitet werden. Man versucht dabei, die Tätigkeit<br />
auf den bisher ausgeübten Beruf des Patienten zu orientieren. Allen<br />
NDs ist eine arbeitstherapeutische Einrichtung zugeordnet. Auch in<br />
den psychiatrischen Krankenhäusern und in den Anstalten <strong>für</strong> chronisch<br />
Kranke gibt es arbeitstherapeutische Einrichtungen, die teilweise<br />
spezielle Produktionsprogramme haben. Die Patienten arbeiten<br />
in der Regel 6 Stunden pro Tag. Es gilt als selbstverständlich und als<br />
therapeutisch wirksam, daß die Patienten <strong>für</strong> ihre Arbeit voll bezahlt<br />
werden 66 .<br />
Die eben aufgezeigte therapeutische Ausrichtung wird auch mit<br />
den Begriffen Rehabilitation oder Readaption bezeichnet. Die enorme<br />
65 Gorman 1969, S. 93.<br />
66 Gorman 1969, S. 91.