01.12.2012 Aufrufe

Das Argument 71 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

Das Argument 71 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

Das Argument 71 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Bedingungen <strong>für</strong> die Prävention psychischer Störungen 19<br />

Offenbar sind die Möglichkeiten sekundärer und tertiärer Prävention<br />

redit klar zu erkennen. Wesentlich schwieriger ist die Bestimmung<br />

von Möglichkeiten primärer Prävention. Im wesentlichen werden<br />

in der Literatur drei Bereiche genannt, (a) Einflußnahme auf<br />

organische Grundlagen psychischer Störungen. Die Möglichkeiten<br />

sind weitgehend begrenzt auf geeignete Betreuung während der<br />

Schwangerschaft. In einigen Fällen kann z. B. ein durch angeborene<br />

Stoffwechselstörung verursachter Schwachsinn durch rechtzeitige geeignete<br />

Diät verhütet werden 18 . Konservative Psychiater unterstellen<br />

bisweilen auch heute noch den Methoden der sog. Eugenik der deutschen<br />

Faschisten die Absichten einer Prävention 17 . Mit Prävention<br />

haben diese durch das alleinige Motiv der Kostenersparnis um jeden<br />

Preis bestimmten Maßnahmen jedoch nichts zu tun; ihnen ist „der<br />

Geist der humanitären Hilfe <strong>für</strong> den durch Erkrankung, Alterung<br />

oder Anlagemängel geistig Behinderten" völlig fremd, wie Müller-<br />

Hegemann schreibt 18 , (b) Systematische Vorsorgeuntersuchungen.<br />

Wenngleich diese sehr wichtigen Maßnahmen letztlich der Früherkennung<br />

und -behandlung dienen und somit der sekundären Prävention<br />

zuzurechnen wären 19 , so stellen sie doch einen Eingriff dar,<br />

der vor dem Bekanntwerden einer bestimmten Symptomatik erfolgt,<br />

und sind daher im ursprünglichen Sinne des Wortes präventiv, (c) Beratung<br />

und psychohygienische Aufklärung. Beratung geschieht sowohl<br />

<strong>für</strong> potentielle Kranke und deren Bezugspersonen, z. B. Beratung<br />

von Eltern erziehungsschwieriger Kinder als auch <strong>für</strong> Mitarbeiter<br />

in <strong>Institut</strong>ionen, z. B. Lehrer 20 . Psychohygienische Aufklärung<br />

wendet sich an die Öffentlichkeit schlechthin, z. B. durch Vorträge<br />

in Schulen oder Erörterungen in den Massenmedien 21 . Die<br />

psychohygienische Aufklärung ist eine spezielle Form der allgemeinen<br />

Gesundheitserziehung.<br />

Diese Möglichkeiten werden aber — ganz abgesehen von der Frage<br />

ihrer Realisierbarkeit — eingeschränkt durch gewisse Gefahren und<br />

Schwierigkeiten. 1. Bei allen Vorsorgeuntersuchungen erhöht sich der<br />

mögliche Fehler, jemanden unnötigerweise <strong>für</strong> krank zu erklären<br />

oder zu behandeln („Diagnose falsch positiv") 22 . Sicher ist dieser<br />

Faktor relativ unbedeutend gegenüber dem Nutzen systematischer<br />

Vorsorgeuntersuchungen. Er wird jedoch verstärkt durch die folgende<br />

Eigenart der psychischen Störungen. 2. Bei den psychischen<br />

Störungen muß man davon ausgehen, daß die Wahrnehmung einer<br />

Symptomatik durch den Betroffenen selbst oder durch seine soziale<br />

Umwelt einen verstärkenden Einfluß auf die Entwicklung der Symp-<br />

16 s. z. B. v. Baeyer 1969, S. 49.<br />

17 v. Baeyer 1969, S. 50; Strotzka 1970, S. 74.<br />

18 Müller-Hegemann 1967, S. 11.<br />

19 so Caplan & Grunebaum 1967, S. 331.<br />

20 Zu einer systematischen Darstellung von Beratungstätigkeit s. Caplan<br />

1970.<br />

21 Eine Diskussion von Möglichkeiten und Problemen der Gesundheitspropaganda<br />

gibt z. B. Groß, J. 1967.<br />

22 Gross, R. 1969, S. 155.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!