Das Argument 71 - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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30 Rainer Seidel<br />
die emotionale Beziehung der Kinder zu den Eltern bzw. zu festen<br />
Bezugspersonen verlorengehe, was nachweislich zu psychischen Störungen<br />
führt. <strong>Das</strong> erste ist sicher richtig; jedoch ist es eben möglich,<br />
wissenschaftlich ausgebildete Erzieher in gesellschaftlichen Einrichtungen<br />
zu kontrollieren und zu richtigem Erziehungsverhalten anzuleiten,<br />
und es ist nicht möglich, Millionen von Eltern in privaten<br />
Haushalten zu erreichen und ggf. zu korrigieren. Der zweite Einwand<br />
trifft sicher nicht zu. Ganz im Gegenteil kann sich in der Regel erst<br />
dann, wenn das Kind insbesondere der Mutter nicht zur Last fällt<br />
und ihre beruflichen Möglichkeiten einschränkt, eine gute emotionale<br />
Beziehung entwickeln.<br />
Einbeziehung der Frau in den Arbeitsprozeß und gesellschaftliche<br />
Erziehung sind Charakteristika der sozialistischen Gesellschaft, und<br />
es läßt sich anhand empirischer Daten leicht nachweisen, daß diese<br />
Charakteristika in sozialistischen Ländern in stetig wachsendem Maß<br />
verwirklicht werden 51 .<br />
4.2.3. Sonstige Lebensbedingungen<br />
Aufgrund unserer bisherigen Überlegungen ist klar, daß diejenige<br />
Gesellschaftsordnung eine optimale nicht-spezifische Prävention gewährleisten<br />
wird, die in der Lage ist, die Lebensbedingungen im Interesse<br />
des Wohlergehens der gesamten Bevölkerung zu gestalten.<br />
Wie schon vorher können die angesprochenen Fragen des Systemvergleichs<br />
hier nicht grundsätzlich diskutiert werden. Es sollen nur<br />
zwei Probleme besprochen werden. <strong>Das</strong> erste ist das Problem der Armut<br />
bestimmter Schichten der Bevölkerung, das in der amerikanischen<br />
Literatur zur Gemeindepsychiatrie häufig angesprochen wird.<br />
Seit mehr als 30 Jahren versprechen die Führer des reichsten Landes<br />
der Welt, der USA, mit Hilfe von speziellen Wohlfahrtsprogrammen<br />
die Armut in den USA zu beseitigen 62 . Tatsächlich leben aber in den<br />
USA auch heute noch Millionen Menschen unter dem Existenzminimum.<br />
In anderen kapitalistischen Ländern ist entweder <strong>für</strong> einen<br />
Teil der Bevölkerung die Lage ähnlich oder der erreichte Lebensstandard<br />
ist ständig durch ökonomische Krisen oder andere Ereignisse<br />
bedroht. Zweifellos haben die sozialistischen Länder bisher —<br />
was historisch wohl zu begründen ist — gegenüber einigen kapitalistischen<br />
Ländern deutliche Produktivitätsrückstände. Andererseits<br />
bietet die planmäßige Entwicklung der Produktivkräfte einer vergesellschafteten<br />
Wirtschaft die Möglichkeit einer stetigen und rückschlagfreien<br />
Verbesserung der allgemeinen Lebensbedingungen. Eine<br />
weitere Frage ist die Bedeutung des allgemeinen Bildungsniveaus <strong>für</strong><br />
die Prävention psychischer Störungen. Wenngleich die allgemeine<br />
Anhebung des Qualifikations- und Bildungsniveaus der Bevölkerung<br />
vorübergehend neue psychische Probleme <strong>für</strong> den einzelnen bringen<br />
kann, so ist man sich doch in der psychohygienischen Literatur darüber<br />
einig, daß Anhebung der Bildung und speziell Kenntnisse über<br />
51 <strong>für</strong> die DDR s. z. B, Kuhrig 1969, dort zum planmäßigen Aufbau von<br />
Kinderkrippen, S. 194 f.<br />
52 Lumer 1967, S. 9 f.