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Das Argument 71 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Philosophie 139<br />

ist, wenn diese erst in der Zukunft wirklich sein kann" (29). Die vermittelnde<br />

Funktion zwischen historischer Faktizität und konkreter<br />

utopischer Antizipation kommt der Kategorie der Parteilichkeit zu.<br />

Sie ist aus Lukäcs' Arbeit Tendenz und Parteilichkeit gewonnen und<br />

orientiert sich an Marx' Dictum, die Arbeiterklasse habe „keine<br />

Ideale zu verwirklichen; sie hat nur die Elemente der neuen Gesellschaft<br />

in Freiheit zu setzen, die sich bereits im Schoß der zusammenbrechenden<br />

Bourgeoisgesellschaft entwickelt haben". Mit Hilfe des<br />

Begriffs der Parteilichkeit wird die der Herkunft nach idealistische<br />

Kategorie der Antizipation materialistisch auf die Füße gestellt: Antizipation<br />

heißt jetzt Konkretion eines Real-Möglichen. Die real-mögliche<br />

Perspektive der bestehenden Gesellschaft aber ist die kommunistische.<br />

Was bei Aristoteles Eudaimonie hieß, wird jetzt mit Marx<br />

als „Vollendung der Humanisierung der Natur und damit der Naturalisierung<br />

des Menschen" gefaßt, als Kommunismus. Kunst, die sich<br />

dieser gesellschaftlichen Perspektive konsequent bewußt bleibt, ist<br />

parteiliche Kunst. Parteilichkeit ist so keine subjektive Beurteilung<br />

(jeder linksexistentialistische Dezisionismus ist Tomberg ebenso<br />

fremd wie Lukäcs), sondern ist „Bestandteil der objektiven Wirklichkeit"<br />

(31): „Widerspiegelung der gegenwärtig wirklichen Zukunft"<br />

(31).<br />

Mit der Diskussion der drei Grundkategorien der Mimesistheorie<br />

gibt Tomberg den theoretisch-kategorialen Grundriß <strong>für</strong> ein Verständnis<br />

der Entwicklung der europäischen Kunst zur Moderne.<br />

Kennzeichnend <strong>für</strong> den konsequenten Gebrauch der historisch-materialistischen<br />

Methode ist dabei, daß die im ersten Teil der Schrift<br />

explizierten Grundbegriffe der Mimesistheorie nicht als zeitlose kategoriale<br />

Formen aufgefaßt sind, sondern als kategoriale Manifestationen<br />

„bestimmter Entwicklungsphasen der Wirklichkeit". Aufgrund<br />

ihrer Allgemeinheit sind sie noch nicht hinreichend, „den ganzen<br />

Prozeß der europäischen Kunst" theoretisch zu erfassen. Der notwendigen<br />

Spezifizierung dient der zweite Teil des Buchs: Wandlungen<br />

der Mimesis im Wandel der gesellschaftlichen Praxis. Die Kategorien<br />

mimetischer Abstraktion, mit deren Hilfe moderne Kunst auf ihren<br />

Begriff gebracht werden soll, sind: Illusion, Humanität und Negation.<br />

Illusion bezeichnet das in der Klassengesellschaft produzierte Moment<br />

ästhetischer Ideologiebildung: die gesellschaftlich notwendige<br />

Abstraktion der Wahrnehmung des Subjekts der herrschenden Klasse<br />

vom Klassencharakter seiner Herrschaft: seine illusionäre Ignoranz<br />

der Existenz der unterdrückten produzierenden Klasse. Kunst wird<br />

damit zur Ideologie — nicht im Sinne eines undialektischen Ideologiebegriffs<br />

als bloß falsches Bewußtsein, sondern im Sinne „eingeengter<br />

Erkenntnis", d. h. der gesellschaftlich notwendigen dialektischen Verschränkung<br />

von wahrem und falschem Bewußtsein. Die Reduktion<br />

der Wahrnehmung zur Illusion fundiert auf einer „besonderen Ideologie,<br />

die von vornherein die Erkenntnis der Wirklichkeit kanalisiert<br />

und ihre störenden Momente verschleiert. Die Illusion verhindert<br />

aber nicht die Erkenntnis, sondern engt sie nur ein. Sie läßt aus<br />

ihrem Bild von der Wirklichkeit ein wesentliches Konstituens, näm-

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