Das Argument 71 - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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Bedingungen <strong>für</strong> die Prävention psychischer Störungen 47<br />
schlechten Nährboden. Die wenigen Ansätze wurden durch den deutschen<br />
Faschismus im Sinne einer brutalen „Eugenik" und der massenhaften<br />
Ermordung Geisteskranker unterbunden 108 (s. o. S. 19).<br />
Der Vollständigkeit halber sei noch auf eine psychohygienische<br />
Richtung hingewiesen, die sich seit den 30er Jahren aus der Schweizer<br />
psychoanalytischen Tradition heraus entwickelte und durch eine<br />
Reihe von Publikationen, besonders mit den Bemühungen des Baseler<br />
Ordinarius H. Meng, hervortrat 109 . Die eigenartige Mischung dieser<br />
Richtung aus einerseits konservativer bis reaktionärer, andererseits<br />
anscheinend humanistischer Einstellung 110 verwässert durch ihr<br />
durchweg vorwissenschaftliches Niveau und das dauernde Traktieren<br />
von Banalitäten das an sich positive Anliegen der Psychohygiene.<br />
Die ersten wenn auch geringen Verbesserungen der psychiatrischen<br />
Versorgung zeigten sich in den USA, nachdem die Bundesregierung<br />
seit dem Ende des 2. Weltkriegs zunehmend mehr eingriff.<br />
1963 wurde — nach der spektakulären „Sonderbotschaft" des damaligen<br />
Präsidenten Kennedy der „Community Mental Health Centers<br />
Act" erlassen, der eine finanzielle Förderung solcher psychiatrischer<br />
<strong>Institut</strong>ionen vorsah, die nach gewissen präventiven Gesichtspunkten<br />
organisiert werden. Ohne im Detail auf die sozialpsychiatrischen<br />
Bestrebungen der letzten 10 Jahre einzugehen, soll kurz das Konzept<br />
skizziert werden, das sich als „community psychiatry" entwickelte.<br />
Nach Cowen liegt der community psychiatry ein „präventives Modell"<br />
(preventive model) zugrunde, das an die Stelle des früheren medizinischen<br />
Modells getreten sei. Insbesondere wird „eine Verschiebung<br />
der Orientierung von Dienststelle, Klinik, Krankenhaus, Sprechzimmer<br />
hin auf die Gemeinde" und „eine größere Bereitschaft, psychologischen<br />
Problemen in ihrer natürlichen Umgebung zu begegnen" angestrebt<br />
111 . Damit verbunden ist die Absicht auf Vermeidung von<br />
Hospitalisierung, Intensivierung von Nachbetreuung, Früherkennung,<br />
Krisenintervention u. ä. Der neue Ansatz der „community psychiatry"<br />
hat nach Caplan folgende 4 praktischen Aufgaben: (a) <strong>Theorie</strong> und<br />
Praxis der präventiven Psychiatrie; (b) Planung, Entwicklung eines<br />
sinnvollen Organisationssystems auf Bundes-, Staats- und Gemeindeebene;<br />
(c) Organisation und Verwaltung von Gemeinde-Programmen,<br />
einschließlich der Aufnahme von Verbindungen zu offiziellen Gemeindevertretern;<br />
(d) psychohygienische Beratung (mental health<br />
consultation) 112 .<br />
Eine größere Zahl von empirischen Untersuchungen sollte die Strategien<br />
der Versorgung verbessern; vor allem sollten epidemiologische<br />
Untersuchungen gestatten, sich auf sog. „high-risks groups", also<br />
Bevölkerungsgruppen mit besonders hohem Krankheitsrisiko, zu<br />
108 s. Dörner 1967.<br />
109 z. B. PSYCHOHYGIENISCHE VORLESUNGEN (hrsg. v. H. Meng)<br />
1958; MENG et al. 1960; Hoff 1956.<br />
110 besonders eindrucksvoll Meng 1958.<br />
111 Cowen 1967, S. 401, übersetzt.<br />
112 Caplan 1965, zit. n. 1967, S. 309.