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Das Argument 71 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Bedingungen <strong>für</strong> die Prävention psychischer Störungen 33<br />

4.3.2. Sozialisation<br />

Man darf nicht im Sinne der „Automatentheorie" annehmen, daß<br />

mit den sozialistischen Produktionsverhältnissen alle Fehler in der<br />

Erziehung der Kinder von selbst verschwinden. In der CSSR wurde<br />

beispielsweise in einer empirischen Untersuchung festgestellt, daß<br />

eine frühe Bewegungsstimulation der Säuglinge deren körperliche<br />

und psychische Entwicklung günstig beeinflußt; im Gegensatz dazu<br />

steht in diesem Land die verbreitete Sitte, die Säuglinge besonders<br />

fest in Windeln einzupacken 60 . Dies ist ein noch recht einfacher Fehler;<br />

viel schwieriger dürfte es z. B. sein zu verhindern, daß Eltern<br />

einen zu hohen Leistungsanspruch auf die Kinder übertragen. Auch<br />

hier können wir nur feststellen, daß mit dem Schwerpunkt auf gesellschaftlicher<br />

Erziehung, der Entlastung der effektiv gleichberechtigten<br />

Eltern und deren höherem Bildungsstand die geeigneten Voraussetzungen<br />

geschaffen werden dürften, um auf längere Sicht gesehen<br />

auch psychischen Störungen zu verhindern, die auf Erziehungsfehlern<br />

beruhen.<br />

4.3.3. Sonstige Lebensbedingungen<br />

In den sozialistischen Ländern gibt es Rüdestände in den materiellen<br />

Lebensbedingungen. Beispielsweise ist in der Sowjetunion —<br />

nicht zuletzt durch die Vernichtungsfeldzüge des deutschen Faschismus<br />

— der Mangel an Wohnungen noch erheblich. Ein Beispiel <strong>für</strong><br />

psychische Probleme, die aus einer fortschrittlichen Entwicklung<br />

entstehen, sind die erhöhten Anforderungen <strong>für</strong> die Familie, die mit<br />

der Verwirklichung der Gleichberechtigung durch Qualifikation und<br />

Berufstätigkeit der Frau entstehen. Die hohe Scheidungsquote in der<br />

DDR kann u. a. darauf zurückgeführt werden. Hier würden Eheberatungsstellen,<br />

die in geeigneter Weise arbeiten, u. a. auch eine<br />

präventive Wirkung in bezug auf psychische Störungen bei den Eltern<br />

oder auch den Kindern haben.<br />

Die vorangegangenen Überlegungen (Abschnitt 4.) betrafen solche<br />

Bedingungen, die nicht primär im Namen der Verhinderung psychischer<br />

Störungen anzustreben sind, sondern ein Ziel fortschrittlicher<br />

Kräfte ganz allgemein darstellen. Im folgenden soll untersucht werden,<br />

welcher Zusammenhang zwischen der Möglichkeit und Wirksamkeit<br />

gezielter präventiver Maßnahmen, also solchen Bedingungen, die<br />

sich speziell auf psychische Erkrankungen beziehen, und dem Gesellschaftssystem<br />

besteht.<br />

5. Modell einer präventiv orientierten psychiatrischen Versorgung<br />

Wir kommen nun zum Kernpunkt unserer Darstellung, der Diskussion,<br />

wie eine psychiatrische Versorgung auszusehen habe, deren<br />

Hauptziel die Verhütung psychischer Störungen ist. Da die Überlegungen<br />

nicht utopischen Charakter annehmen sollen, soll ein tatsächlich<br />

bestehendes Versorgungssystem zum Ausgangspunkt ge-<br />

60 Koch 1969.

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