01.12.2012 Aufrufe

Das Argument 71 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

Das Argument 71 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

Das Argument 71 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Psychologie 167<br />

dem die untersuchten Beziehungen zweifellos stehen, ganz in dem<br />

Konservatismus der Triebe aufgehen läßt. C. sieht im Wiederholungszwang<br />

den „Schlüssel zur Hypothese des Todestriebes" (150).<br />

Dessen regressives Wirken könne jeder Analytiker immer wieder<br />

beobachten, und jeder Versuch, den Todestrieb zu einer bloß reaktiven<br />

Aggression zu verkürzen, verkürze auch die psychoanalytische<br />

<strong>Theorie</strong> um die <strong>für</strong> sie konstitutive Einsicht in die Ambivalenz aller<br />

psychischen Prozesse. In der <strong>Theorie</strong> vom Psychischen den Tod zu<br />

verdrängen, heiße, sich ihm durch tote <strong>Theorie</strong>n ausliefern. Trotz<br />

dieser Einsicht in die Realität eines „Todesprinzips" (ausdrücklich<br />

nicht: „Todestriebs") hält C. die spekulative Folgerung, Ziel alles<br />

Lebens sei der Tod, <strong>für</strong> unzulässig und falsch. In verschiedenen Ansätzen,<br />

oft selber recht spekulativ, versucht er, den umstrittensten<br />

Teil der Lehre Freuds zu widerlegen:<br />

<strong>Das</strong> biogenetische Grundgesetz Ernst Haeckels und die Genitaltheorie<br />

Ferenczis stellen Entwicklung als Wiederholung dar. Der<br />

Fortschritt in der Entwicklung liege hiernach darin, daß die wiederholten<br />

Stadien in der Wiederholung nur angedeutet werden. Jede<br />

Wiederholung sei eine neue Integrationsstufe, sie habe gegenüber<br />

dem wiederholten Anfang eine neue Qualität, sei nicht einfach er<br />

selbst. Deutlich werde dies auch in der psychoanalytischen Kur.<br />

Ohne Wiederholungszwang sei keine Übertragung möglich. Als Ergebnis<br />

der Kur werde der neurotisierende Anfang auf qualitativ<br />

höherer Stufe in der Verbalisierung aufgehoben. Der Wiederholungszwang<br />

erweise sich also als ein Aspekt der aktiven Anpassungsfähigkeit;<br />

ihm komme eine verarbeitende Funktion zu. „Die regressive<br />

Tendenz des Triebes wird faktisch zu einer progressiven Entfaltung<br />

der Strukturen benutzt, und es ist nicht einzusehen, wieso die tatsächlich<br />

progressive Organisation nur ein Durchgang <strong>für</strong> die radikale<br />

Wiederherstellung der Ausgangssituation sein muß" (164).<br />

Gegen diese Hypothese von der Wiederherstellung der Ausgangssituation<br />

als Ziel allen Lebens versucht C., über eine Relativierung<br />

des Entropiegesetzes zu argumentieren. Dabei knüpft er an die<br />

Freudsche Vermutung einer „psychischen Entropie" an (vgl. G. W.,<br />

XII, 151). Nach dem Entropiegesetz ist die Entstehung des Lebens<br />

eine zufällige Ausnahme aus dem allgemeinen Entwicklungsgesetz<br />

der Materie, die „Wiederkehr statistisch wahrscheinlicher und weniger<br />

organisierter Formen" anzustreben (165). Diese statistisch unwahrscheinlichen<br />

Entwicklungssprünge der Materie seien nun aber<br />

keine, wie die Positivisten behaupten, „epiphänomenalen und nebensächlichen<br />

Erscheinungen im Universum" (203), vielmehr würden sie<br />

selber wiederum zu Naturgesetzen, zu Ursachen neuerer Änderungen.<br />

Neben die Achse der kosmischen Bewegung der Entstrukturierung<br />

und Abnahme von Ordnung, d. h. die der Entropie, trete die der<br />

Negentropie, der zunehmenden Unwahrscheinlichkeit und Komplexität.<br />

Denn, wie T. de Chardin gezeigt habe, folge aus den anfänglichen,<br />

statistisch unwahrscheinlichen Kombinationen der Materie mit Notwendigkeit<br />

die Entstehung fortschreitender Organisationsformen.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!