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Das Argument 71 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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144 Besprechungen<br />

tion, d. h. als Medium einer materialistisch fundierten und damit<br />

gesellschaftlich konkreten Kritik schlechter Wirklichkeit (etwa in der<br />

<strong>für</strong> die progressiven Tendenzen der europäischen Kunst so typischen<br />

Form der Satire) erhält in dem theoretischen Schema Tombergs nicht<br />

den Platz, der ihr in einer materialistischen Ästhetik zukommen<br />

sollte. Es wäre zu sehen, daß Negation und Parteilichkeit als ästhetische<br />

Kategorien logisch und historisch in qualitativ anderen Korrelationen<br />

möglich sind als in den bei Tomberg verzeichneten. Schiller<br />

etwa, auf dem Tomberg neben Aristoteles am häufigsten rekurriert,<br />

unterscheidet bereits zwischen drei material und kategorial<br />

differenzierten Dichtungs- bzw. Kunstformen: Idylle (Antizipation<br />

der Wirklichkeit der Eudaimonie), Elegie (Verlust der Eudaimonie<br />

in der Wirklichkeit) und Satire (Kritik der Wirklichkeit als Mangel<br />

von Eudaimonie). Von diesem Ansatz her ließe sich der systematische<br />

Ansatz Tombergs um einige nicht unwesentliche Aspekte ergänzen.<br />

Solche Einwände verstehen sich als konstruktive Kritik: als Hinweise,<br />

in welche Richtung die Systematik der Tombergschen Kunstphilosophie<br />

möglicherweise zu präzisieren und auszuweiten wäre.<br />

Ihre Verdienste können und sollen sie nicht schmälern. Tomberg hat<br />

nicht nur einen der konstruktivsten Entwürfe einer historisch-materialistischen<br />

Ästhetik heute vorgelegt. Zugleich stellt seine Schrift,<br />

aufgrund der Methode, die ästhetischen Kategorien aus Beispielen<br />

der großen Tradition europäischer Kunstphilosophie zu entwickeln,<br />

auf überzeugendste Weise dar, daß es eine materialistische Ästhetik<br />

ohne Bewußtsein und präzise Kenntnis der theoretischen Texte der<br />

europäischen Überlieferung nicht geben kann — sowenig es sie geben<br />

kann ohne die sozialphilosophische Reflexion auf die materiellen<br />

Voraussetzungen, auf denen die Kunst und ihre <strong>Theorie</strong> beruhen.<br />

Thomas Metscher (Bremen)<br />

Heller, Agnes: A l l t a g u n d G e s c h i c h t e . Luchterhand, Neuwied<br />

1970 (119 S., kart., 12,80 DM).<br />

<strong>Das</strong> zentrale Thema der sieben Essays (Wert und Geschichte, Struktur<br />

des Alltagslebens, Über Vorurteile, Individuum und Gemeinschaft<br />

— Gegensatz oder scheinbarer Gegensatz, Über die Rolle, Die Stellung<br />

der Ethik im Marxismus) ist ein ethisches. Die Geschichte, der<br />

Alltag und darin vor allem die Vorurteile und die Rollen werden in<br />

bezug auf ethische Normen untersucht, und die zwar unausgesprochene,<br />

aber doch ständig vorhandene Frage ist: Wie soll man unter<br />

den jetzigen Bedingungen in den sozialistischen Ländern ein gerechtes<br />

Leben führen? Es geht letztlich darum, die Verhältnisse, die unter<br />

dem Stalinismus geschaffen wurden, nicht nur von einem historischen<br />

Standpunkt zu betrachten und zu beurteilen, sondern von einem ethischen.<br />

Auch das wird nicht ausdrücklich gesagt, aber die <strong>Argument</strong>ation<br />

zielt offensichtlich darauf hin. So möchte Heller in ihrer Analyse<br />

der Geschichte zeigen, daß diese nicht eindeutig determiniert ist — es<br />

sind immer verschiedene Möglichkeiten realisierbar, und der Mensch

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