Das Argument 71 - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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188 Besprechungen<br />
Entwicklung ohne weiteres verständlich, und zwar vor allen Dingen<br />
das eklatante Mißverhältnis zwischen empirischer Basis und ideologischem<br />
Kondensat. Die zahlreichen, <strong>für</strong> sich genommen wichtigen<br />
und informativen Daten zur kubanischen Revolution, die er auf der<br />
Grundlage ausgewiesener Materialien und eigener Anschauung (er<br />
hielt sich im Herbst 1969 zu einem Informationsbesuch in Kuba auf)<br />
zusammenträgt, bleiben in vielen Punkten unvermittelt neben seinen<br />
politischen Schlußfolgerungen stehen. Darin dokumentiert sich, in<br />
einem allgemeineren Sinne die Unfähigkeit der bürgerlichen Wissenschaft,<br />
die Originalität eines gesellschaftlichen Transformationsprozesses<br />
nicht nur zum Ansatz ihres Interesses, sondern auch zum<br />
Maßstab ihrer Praxis zu machen.<br />
Tatsächlich umreißt Link im Rahmen eines historischen Rückblicks<br />
(„Kuba am Vorabend der Revolution" und „Kubas Weg zum Sozialismus"<br />
[S. 6—12]) die wichtigsten Deformationserscheinungen innerhalb<br />
der vorrevolutionären kubanischen Gesellschaft wie stagnierendes<br />
Wirtschaftswachstum, regionaler Dualismus, verzerrte Einkommensverteilung,<br />
strukturelle Arbeitslosigkeit, monokulturelle<br />
Wirtschaftsformation etc. Indem er sie jedoch gegen einzelne Momente<br />
sozio-ökonomischen Fortschritts im Verhältnis zwischen Kuba<br />
und dem übrigen Lateinamerika vordergründig relativiert, entzieht<br />
er sie einer fälligen Imperialismus-Kritik.<br />
Entgegen dieser Voreingenommenheit des Autors ist es jedoch<br />
gerade die Akribie in der Ausbreitung empirischer Daten, die alle<br />
diese Phänomene bei genauerem Hinsehen dennoch als Syndrome des<br />
Imperialismus kenntlich macht. Dazu bedarf es nicht einmal einer<br />
subtileren Einsicht in die Dialektik zwischen der Entwicklung der<br />
Metropolen und der Ausbeutung der Satelliten 2 , die Link völlig vermissen<br />
läßt. Weil ihm dieser Ansatz fehlt, kann er auch der kubanischen<br />
Revolution, die er im übrigen auf die Rolle Castros hin personalisiert,<br />
nur eine scheinbare Legitimität zusprechen, muß er ihre<br />
politische Entwicklung fortgeschrittenen Stadiums unter gewissen<br />
Modifikationen mit dem Etikett der totalitären Diktatur versehen<br />
(10). Die Darstellung der faktischen ökonomischen Entwicklung Kubas<br />
seit 1959 leidet unter diesem Mangel an theoretischen Kategorien<br />
zu Transformationsproblemen fehlentwickelter Gesellschaften genauso<br />
wie die Systematisierung der wirtschaftspolitischen Kernfragen<br />
aus der Sicht des Verfassers. Beide Teile sind aus ihrem engen<br />
historischen Kontext herausgelöst und verflachen in einem selbstgenügsamen<br />
Schematismus, der die elementaren Emanzipationsbedürfnisse<br />
einer gezielt fehlentwickelten und politisch unterdrückten<br />
Gesellschaft zugunsten versteckter Apologien der vorrevolutionären<br />
Verhältnisse bis zur Unkenntlichkeit entstellt.<br />
Drastische Beispiele da<strong>für</strong> liefert Link, wenn er den eindeutig<br />
feststellbar größeren Einsatz der installierten Produktionskapazitä-<br />
2 Vgl. hierzu u. a. vor allem André Gunder Frank, Die Entwicklung der<br />
Unterentwicklung, in: Frank, Guevara, Marini et al., Kritik des bürgerlichen<br />
Anti-Imperialismus, Berlin 1969, S. 30—45.