01.12.2012 Aufrufe

Das Argument 71 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

Das Argument 71 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

Das Argument 71 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

82 Heinz-Harald, Abholz, Irma Gleiss<br />

maßen .außer Gefecht' gesetzt sind, wird der Ehrgeiz der Antipsychiatrie<br />

darauf gerichtet sein, mit Hilfe eines praktischen Experiments<br />

und der entsprechenden theoretischen Untermauerung antizipierend<br />

mögliche Wege aufzuzeigen, die zu einer grundsätzlich<br />

neuen Gesellschaftsordnung führen können" (316). Die „außer Gefecht"<br />

Gesetzten, die „Ausgeschlossenen", eben die, die man in der<br />

politischen Einordnung als Randgruppen bezeichnet, werden hier<br />

zum Motor gesellschaftlicher Veränderung erklärt. Hier erweist sich<br />

der Anspruch, eine politökonomische Analyse liefern zu wollen, als<br />

nicht eingelöst. Die Gruppe der „Ausgeschlossenen" bestimmt sich<br />

nach subjektiven und nicht nach objektiven Kriterien. Ausschlaggebend<br />

<strong>für</strong> die Zugehörigkeit zur „revolutionären Klasse" ist die<br />

Tatsache der „Negation" der Gesellschaft, nicht etwa das Verhältnis<br />

zu den Produktionsmitteln. Daher wird es von Basaglia auch begrüßt,<br />

daß er nun selbst vom Establishment als Wissenschaftler<br />

„negiert" wird — gleichsam als weiterer Beweis <strong>für</strong> einen angeblich<br />

objektiven Gegensatz, in dem er sich zur herrschenden Klasse befindet:<br />

„Inzwischen bezeichnet das psychiatrische Establishment —<br />

wenn auch nur inoffiziell — unsere Arbeit als unseriös und wissenschaftlich<br />

nicht respektabel. Dieses Urteil kann uns nur willkommen<br />

sein, weil es uns endlich vergemeinschaftet mit jenen .Unseriösen'<br />

und ,Nicht-Respektabelen', wie seit eh und je die Geisteskranken<br />

und alle Ausgeschlossenen etikettiert werden" (160). Mit<br />

dieser Gruppe, in die man durch die eine oder andere Definition<br />

gelangen kann, soll eine grundlegende Umwälzung gesellschaftlicher<br />

Verhältnisse bewirkt werden.<br />

Obwohl Negation und Verweigerung von den Autoren selbst an<br />

einigen Stellen als fragwürdige politische Perspektive erkannt werden,<br />

wird die Randgruppe der „Ausgeschlossenen", die das Elend in<br />

der Gesellschaft in krassester Form erfährt, zum sozialen Träger<br />

gesellschaftlicher Veränderungen erklärt. Damit verbunden ist die<br />

Vorstellung, daß durch Veränderungen des Bewußtseins gesellschaftliche<br />

Verhältnisse verändert werden und privates Eigentum an Produktionsmitteln<br />

abgeschafft wird. Da es gerade diese Auffassungen<br />

sind, mit denen die Autoren ihre Ablehnung gegenüber einer „Anpassungstherapie"<br />

begründen, soll kurz entwickelt werden, welche<br />

gesellschaftstheoretische Position ihnen zugrunde liegen.<br />

III.<br />

Typisch <strong>für</strong> das Gesellschaftsbild Basaglias — einer, wie noch<br />

gezeigt werden wird, Version der „Kritischen <strong>Theorie</strong>" — ist die<br />

Annahme der Eindimensionalität der kapitalistischen Gesellschaft.<br />

Der eindimensionale Charakter des kapitalistischen Systems besteht<br />

nach den Vertretern dieser <strong>Theorie</strong> in der Annahme einer „totalen"<br />

sozialen Organisation, die einen mächtigen Apparat zur allseitigen<br />

Manipulation des Bewußtseins, der Bedürfnisse und der Gefühle des<br />

Menschen bereitstellt. Die Menschen würden aufgrund dieser Herrschaft<br />

im Geist des sozialen Konformismus und standardisierter Nor-

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!