Das Argument 71 - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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Medizin 179<br />
Therapieformen zuführt. Weiterhin wird argumentiert, daß z. B.<br />
psycho- und soziotherapeutische Maßnahmen höhere intellektuelle<br />
Anforderungen an den Patienten stellen. Auch dieser Erklärungsversuch,<br />
der auf einer bloßen Annahme fußt, kann jedoch nicht die<br />
Auswirkungen einer Klassengesellschaft auf die sozioökonomische<br />
und psychische Situation der Patienten und auf die Medizin im Sinne<br />
der Klassenmedizin verdecken, sondern er weist eher auf sie hin.<br />
Heinz-Harald Abholz (Berlin)<br />
Schwarz, Bernhard, Klaus Weise, Achim Thom (Hrsg.): S o z i a l -<br />
psychiatrie in d e r s o z i a l i s t i s c h e n G e s e l l s c h a f t .<br />
VEB Georg Thieme, Leipzig 19<strong>71</strong> (320 S., Ln., 35,20 Mark).<br />
„Der Prozeß der Integration der Individualmedizin in die Sozialmedizin<br />
und damit die volle Nutzung der Bedingungen der sozialistischen<br />
Gesellschaftsordnung <strong>für</strong> die Ziele des psychiatrischen Gesundheitsdienstes<br />
weist... im Fachgebiet noch einen erheblichen Rückstand<br />
auf. Anliegen dieses Sammelbandes ist es, einen Beitrag zur<br />
Überwindung dieser Lücke in <strong>Theorie</strong> und Praxis der Psychiatrie zu<br />
leisten" (7). In 16 Einzelarbeiten aus den verschiedensten Bereichen<br />
der Sozialpsychiatrie wird dies versucht. Gesagt werden muß jedoch,<br />
daß es sich dabei zumeist um das Referieren der Ergebnisse bürgerlicher<br />
Autoren in teilweise undifferenziertem Durcheinander verschiedenster<br />
Ansätze handelt. Die dargestellten eigenen empirischen<br />
Arbeiten sind in ihrem Charakter der Detailuntersuchung von größeren<br />
Zusammenhängen isoliert, wie wir es aus der bürgerlichen Literatur<br />
zu entsprechenden Themen kennen. So stellt z. B. die Arbeit<br />
von Schwarz und Weise über „Die Bedeutung der Individualisierung<br />
<strong>für</strong> den Verlauf schizophrener Psychosen" einen Wust von Einzeldaten<br />
dar, die nicht mehr sinnvoll zusammengebracht werden können.<br />
Zahlreiche bürgerliche Autoren werden völlig unkritisch zitiert;<br />
dabei werden Modelle, wie z. B. das der Therapeutischen Gemeinschaft,<br />
so wie sie im bürgerlichen Lager entwickelt wurden, unkritisch<br />
übernommen. Daneben steht — meist am Anfang der Arbeiten<br />
— eine zumeist plakative Ablehnung bürgerlicher Methoden<br />
und <strong>Theorie</strong>n.<br />
Unter diese Kritik fallen jedoch nicht die drei ersten Arbeiten<br />
dieses Bandes mit jeweils einem etwas allgemeineren, den Standort<br />
bestimmenden Thema. So zeigt z. B. die Arbeit von Thom „Sozialpsychiatrie<br />
in der sozialistischen Gesellschaft — philosophische und<br />
wissenschaftstheoretische Überlegungen zur Entwicklungsgeschichte<br />
und Prognose" in hervorragender Weise einen Grundriß <strong>für</strong> eine<br />
materialistische Analyse der Entwicklung der Sozialpsychiatrie. Dabei<br />
werden sowohl die Interessen des Kapitals an der Entwicklung<br />
der verschiedenen „progressiven" Denkansätze und Therapieformen<br />
als auch die Möglichkeiten <strong>für</strong> eine sozialistische Politik in diesem<br />
Bereich deutlich. Besonders wichtig ist auch, daß die Auseinander-