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Das Argument 71 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Philosophie 143<br />

Verstummen, wehrt, indem sie immer wieder neue Formationen von<br />

Realität aus der eigenen Subjektivität heraus zu produzieren sucht,<br />

zeugt sie von der Macht des Willens zur Eudaimonie (...)" (101). Als<br />

abstrakte Artikulation dieses Willens und als Zeugin des Zusammenbruchs<br />

der Bourgeoisgesellschaft kann dieser Kunst dann auch vor<br />

dem Richterstuhl des historischen Progresses eine relative Berechtigung<br />

nicht abgesprochen werden.<br />

Tombergs Schrift drängt in der Kürze von 102 Seiten den Aufriß<br />

einer sozialphilosophischen <strong>Theorie</strong> der europäischen Kunstgeschichte<br />

zusammen. Sie versteht sich ausdrücklich als „Entwurf, der selbst<br />

noch sehr der Kritik bedarf und wegen seines skizzenhaften Charakters<br />

sicherlich mannigfache Interpretationen zuläßt" (10). In diesem<br />

Sinne provoziert das Buch bewußt seine Diskussion. Es will als<br />

kunsttheoretische Skizze einer historisch-materialistischen Mimesistheorie<br />

gelesen werden, deren vollständige Systematik erst in der<br />

disziplinierten Diskussion zu erstellen wäre. Bei der skizzenhaften,<br />

ja weitgehend hypothetischen Anlage des Buchs ist es verständlich,<br />

daß die materialistische Präzision in manchen Teilen fehlen muß.<br />

Tomberg daraus einen Vorwurf machen zu wollen, würde an dem<br />

bewußt provisorischen und provokatorischen Charakter seiner Schrift<br />

vorbeigehen. Wichtiger ist die Frage, und hier könnte eine fruchtbare<br />

Diskussion einsetzen, ob das von Tomberg vorgeschlagene Kategoriensystem<br />

<strong>für</strong> ein theoretisches Verständnis der Entwicklung der<br />

europäischen Kunstgeschichte bereits ausreicht. Weiter ist zu fragen,<br />

ob es begriffslogisch konsequent ist, Widerspiegelung, Antizipation<br />

und Parteilichkeit als kategoriale Grundformen einer umfassenden<br />

Mimesistheorie der Kunst aufzufassen und diesen Illusion, Humanität<br />

und Negation als Abstraktionen der logischen Grundformen an<br />

die Seite zu stellen, wobei die Kategorien ihre logische Einheit in<br />

dem Begriff der Mimesis selber haben. Die Gefahr einer allzu schematischen<br />

Verwendung liegt hier nahe; auch, daß mit ihnen allzu<br />

leicht etikettiert werden könnte, wo analysiert werden muß. Ohne<br />

einem kunsttheoretischen Nominalismus das Wort reden zu wollen,<br />

wäre noch einmal nachzufragen, inwieweit eine weitere Präzision<br />

der Kategorien hier möglich wäre. Daß Kunst als bloße Mimesis (im<br />

Sinne von Widerspiegelung verstanden) auch immer die Tendenz<br />

ideologischer Affirmation gesellschaftlicher Wirklichkeit besitzen<br />

kann, geht aus Tombergs Analysen unmißverständlich hervor, müßte<br />

hier aber doch präzisiert werden, nicht nur in bezug auf das Problem<br />

von Kunst und Ideologie, sondern generell in Hinsicht auf das Problem<br />

der Dialektik mimetischer Affirmation. Problematischer noch<br />

als die Frage nach dem ideologischen Grundcharakter künstlerischer<br />

Widerspiegelung ist die der Gültigkeit des Begriffs der Negation im<br />

Sinne einer kunsttheoretischen Grundkategorie. Tomberg setzt sich<br />

hier dem Einwand aus, die <strong>für</strong> jede materialistische Ästhetik zentrale<br />

Kategorie der Negation durch ihre restringierte Verwendung <strong>für</strong> die<br />

spätbürgerliche Kunst (als Abstraktion der Parteilichkeit) auf eine<br />

Weise festgelegt zu haben, die sie <strong>für</strong> eine Bezeichnung kritischrevolutionärer<br />

Kunst untauglich macht. Kunst als bestimmte Nega-

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