Das Argument 71 - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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Politik und soziale Bewegung 185<br />
malige neokoloniale Abhängigkeit Kubas von den USA als Ursache<br />
<strong>für</strong> die deformierte Wirtschaftsstruktur, insbesondere <strong>für</strong> das Ausbeutungssyndrom<br />
der Monokultur kenntlich und die Unterausnutzung<br />
der materiellen und menschlichen Ressourcen <strong>für</strong> die groteske<br />
Unterentwicklung des Landes verantwortlich machen (55 ff.), dann<br />
jedoch nicht deshalb, weil ihnen daran gelegen wäre, die anfänglichen<br />
Mißerfolge der sozialistischen Entwicklungsstrategie zu bagatellisieren<br />
und den Optimismus ihrer Urheber nachträglich zu teilen.<br />
Bei aller Anerkennung <strong>für</strong> die positiven Teilergebnisse auf wirtschaftlichem<br />
Gebiet, welche die revolutionäre Führung nach Ablauf<br />
der ersten dreijährigen Transformationsperiode vorweisen konnte,<br />
beschränken sich die Verfasser tatsächlich keineswegs auf eine affirmative<br />
Bestandsaufnahme: sie messen die während dieses Zeitraums<br />
gültigen wirtschaftspolitischen Leitprinzipien der landwirtschaftlichen<br />
Diversifikation, der Industrialisierung und der Gewinnung<br />
neuer Handelspartner vielmehr kritisch an den beschränkten Entwicklungsmöglichkeiten.<br />
Gestützt auf eine ähnlich breite empirische Basis folgt die Analyse<br />
der zweiten ökonomischen Entwicklungsphase (64 ff.), die bis zum<br />
Ende des Jahres 1965 durch die Strategie der zwischenzeitlichen<br />
Rückkehr zu landwirtschaftlicher Spezialisierung (Zuckerproduktion)<br />
gekennzeichnet war, den gleichen Linien. Im Resümee unterscheidet<br />
sie sich nur unwesentlich von anderen marxistischen Kuba-Analysen;<br />
auch sie dokumentiert, daß die kubanische Revolution seither<br />
zwischen diesen beiden wirtschaftspolitischen Maximen „in bezug<br />
auf Entwicklungsstrategie und Organisationsstruktur ihren Weg<br />
gefunden" hat (73).<br />
Daß diese Vermutung auch in der tatsächlichen wirtschaftlichen<br />
Entwicklung Kubas zahlreiche Anhaltspunkte hat, belegen die Verfasser<br />
mit einer Fülle anschaulichen Materials, das über die beachtlichen<br />
Wachstumsraten in einzelnen Produktionszweigen <strong>für</strong> den<br />
Zeitraum von 1959 bis 1968 Aufschluß gibt (74—95). Besondere Beachtung<br />
verdienen die folgenden Kapitel, die auf dieser Informationsbasis<br />
die zahlreichen Wechselbeziehungen zwischen Ökonomie<br />
und soziopolitischer Entwicklung thematisieren. Am Beispiel der<br />
ersten Agrarreform vom Mai 1959, die auf der Grundlage direkter<br />
konfiskatorischer Maßnahmen und flankierender Enteignungs- und<br />
Nationalisierungsakte in außerlandwirtschaftlichen Sektoren nach<br />
den Plänen der revolutionären Führung eine kooperative Praxis in<br />
die Wege leiten sollte, der zweiten Agrarreform vom Oktober 1963,<br />
die auf die endgültige Entmachtung der Landbourgeoisie ausging,<br />
und der Struktur des Privatsektors im agrarischen Bereich, der beide<br />
Reformen überdauerte, demonstrieren die Verfasser sinnfällig, daß<br />
die markt- und privatwirtschaftlichen Residuen innerhalb des kubanischen<br />
Sozialismus — so bedeutsam sie auch <strong>für</strong> temporäre Klassenbündnisse<br />
sein mögen — auf die Dauer zahlreiche gesellschaftliche<br />
Konfliktstoffe enthalten. Die revolutionäre Führung hat nach Auffassung<br />
der Autoren sehr wohl erkannt, daß sie sich <strong>für</strong> eine Übergangsperiode<br />
die Loyalität des Kleinbürgertums erhalten muß (101,