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Das Argument 71 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Bedingungen <strong>für</strong> die Prävention psychischer Störungen 25<br />

deutet u. a., daß der Arbeiter keinen Zusammenhang zwischen seiner<br />

Tätigkeit und dem gesellschaftlichen Fortschritt sehen kann: Produktionsfortschritte<br />

in einem Betrieb nützen in erster Linie dem<br />

privaten Unternehmen und können sich sogar negativ auswirken <strong>für</strong><br />

die Arbeiter in einem anderen Betrieb (der z. B. nicht mehr konkurrenzfähig<br />

ist, so daß die Arbeiter arbeitslos werden). Im Gegensatz<br />

dazu werden unter sozialistischen Produktionsverhältnissen klare<br />

gesellschaftliche Ziele verfolgt, so daß der Inhalt der Arbeitstätigkeit<br />

zu einer kollektiven Aufgabe wird. Weiterhin steht im Kapitalismus<br />

wegen der Existenzunsicherheit des Arbeiters die Leistung stets im<br />

Rahmen der gegenseitigen Konkurrenz. Im Gegensatz dazu sind<br />

Leistung und Wettbewerb unter sozialistischen Produktionsverhältnissen<br />

kollektive Aufgaben: sie dienen nicht der bloßen individuellen<br />

Existenzsicherung, sondern sind Mittel zur Erlangung eines kollektiven<br />

Ziels. Es ist berechtigt, anzunehmen, daß die genannten Bedingungen<br />

auch einen wesentlichen Einfluß haben auf die psychische<br />

Stabilität bzw. Disposition zu psychischen Störungen des einzelnen.<br />

Diese Annahme wird sowohl von Wissenschaftlern aus sozialistischen<br />

Ländern wie auch von den westlichen Beobachtern geltend gemacht 31 .<br />

Einer der am besten gesicherten empirischen Befunde ist der Unterschied<br />

in den Erkrankungsraten in verschiedenen sozialen Schichten.<br />

Bekanntlich sind in den sog. Unterschichten nicht nur die psychischen<br />

Störungen häufiger, sondern es herrschen dort auch die<br />

schwereren Störungen, besonders Psychosen, vor 32 . Bei dieser Erscheinung<br />

dürften auch Selektionsprozesse eine gewisse Rolle spielen<br />

(z. B. Drift-Hypothese: die Erkrankten wandern in sozial niedrigere<br />

Schichten ab); insgesamt jedoch sind die genannten Befunde ein<br />

klarer Hinweis auf die Existenz pathogener sozialer Faktoren, abgesehen<br />

davon, daß auch eine krankheitsbedingte soziale Selektion auf<br />

krankheitsverschlechternde soziale Bedingungen hinweisen kann.<br />

Einige weitere Befunde beziehen sich auf eine Anzahl sogenannter<br />

Stress-Faktoren (s. dazu besonders den zweiten Teil der Midtown-<br />

Manhattan-Study 33). Trotz verschiedener methodischer Vorbehalte,<br />

besonders hinsichtlich des zugrunde gelegten Stress-Konzepts, lassen<br />

die Einzelbefunde keinen Zweifel daran, daß verschiedene Arten<br />

physischer und psychischer Belastung krankheitsfördernd wirken.<br />

Nach diesen globalen Überlegungen sollen die pathogenen Faktoren<br />

etwas detaillierter besprochen werden.<br />

4.1.1. Arbeitsbedingungen<br />

Da die Grundlage des menschlichen Lebens in der Arbeitstätigkeit<br />

besteht, müssen die spezifischen Arbeitsbedingungen notwendig in<br />

ein Konzept der Genese psychischer Störungen einbezogen werden.<br />

Dies ist in der Forschung bisher sehr vernachlässigt worden. Eine der<br />

31 Für die SU: Field 1967, S. 328; Ziferstein 1966; <strong>für</strong> die VR China:<br />

Lazure 1964.<br />

32 s. die Übersichtsreferate von Berndt 1968 und Fried 1969.<br />

33 s. Langner & Michael 1963.

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