Das Argument 71 - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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Philosophie 147<br />
<strong>Das</strong> verlange auch eine andere Art der Arbeit, die ermöglicht werden<br />
soll durch eine „Kulturrevolution, in der sich nicht nur die Menschen,<br />
sondern auch die Produktionsmittel selbst zu verändern hätten" (691).<br />
Mao Tse Tung habe diese Art der Kulturrevolution theoretisch und<br />
praktisch begründet. Wie die Produktionsmittel und der Arbeitsprozeß<br />
dann auszusehen hätten, kann K. nicht genauer sagen, es schwebt<br />
ihm eine „neue konkrete Technologie" (62) vor. Der Gebrauchswert<br />
verwirkliche sich eben nicht, wie Marx behauptet, in der Konsumtion,<br />
sondern „gleichermaßen auch durch den Produktionsprozeß" (17). Dies<br />
impliziere einen „qualitativen Begriff von Arbeit": „Wie die auf<br />
handwerklicher Stufe stattfindende Produktion im Mittelalter teilweise<br />
zugleich künstlerische Betätigung war, an der sich der einzelne<br />
mit dem Einsatz seiner Persönlichkeit und seines lebendigen Interesses<br />
beteiligte" (17 f.).<br />
Der Skandal der kapitalistischen Produktionsweise besteht <strong>für</strong> K.<br />
nicht in der irrationellen Organisation der Produktion, in der die Herstellung<br />
der Produkte, die die Gesellschaft zum Leben braucht, nicht<br />
von der Gesellschaft selbst in die Hand genommen wird, sondern<br />
durch das Profitinteresse bestimmt wird, das die immer geringere<br />
Anzahl von Produktionsmittelbesitzern beherrscht. <strong>Das</strong> elementare<br />
Glück, das in der beständigen Versorgung mit dem Lebensnotwendigen<br />
und der Verhinderung des Lebenszerstörenden, des Krieges, besteht,<br />
ist K. keine revolutionäre Anstrengung wert. Sein Problem ist<br />
„die abstrakte Forderung nach Disziplin und Sauberkeit" (11), aber<br />
vor allem „das konkrete Leid, das sowohl die Konkurrenzsituation als<br />
auch der Leistungszwang erzeugen" (10). Ihm ist alles Übel Triebunterdrückung<br />
und jede Triebunterdrückung von Übel. Von dieser<br />
Position aus deutet er die von Marx und Freud entwickelten Begriffe<br />
in eigentümlicher Weise. <strong>Das</strong> Proletariat ist ihm die Verkörperung<br />
des unterdrückten Triebes (50), „der unterdrückte Reichtum" (<strong>71</strong>),<br />
Proletarisierung sei „vaterrechtliche Abstraktion des Menschen",<br />
„Enteignung des Menschen von seinen Fähigkeiten und Bedürfnissen"<br />
(49). Gebrauchswert ist nicht mehr die eine der beiden Bestimmungen,<br />
die ein Produkt erfüllen muß, um Ware zu sein, nämlich sich<br />
durch seine Eigenschaften auf menschliche Bedürfnisse, gleich welcher<br />
Art, zu beziehen. Es bleibt nur die Lauthülle des von Marx entwikkelten<br />
Begriffs. Der Laut „Gebrauchswert" wird, mit Rückendeckung<br />
der Marxschen <strong>Theorie</strong>, in eine <strong>Theorie</strong> über wahre und falsche (d. h.<br />
Ersatz-)Befriedigungen eingesetzt und den wahren Befriedigungen<br />
zugeordnet. Am typischsten <strong>für</strong> diese Art der <strong>Theorie</strong>bildung ist das<br />
Verfahren, Begriffe zu nehmen, die sowohl in der von Marx als auch<br />
in der von Freud entwickelten <strong>Theorie</strong> <strong>für</strong> wichtige Zusammenhänge<br />
stehen, die Identität dieser Begriffe zu behaupten und ihnen eine<br />
dritte Bedeutung unterzuschieben. Typisch ist hier<strong>für</strong> etwa die Verwendung<br />
des Begriffs „Fetisch". Mit Fetischcharakter bezeichnet<br />
Marx den Vorgang, daß die Produkte des Menschen auf Grund ihrer<br />
gesellschaftlichen Funktion, nämlich über den Austausch den gesellschaftlichen<br />
Zusammenhang herzustellen, sich ihren Herstellern gegenüber<br />
verselbständigen und diese beherrschen: die Waren haben