Das Argument 71 - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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Ökonomie 197<br />
Kontrolle bestimmt sei. Ausführlich werden Beschaffungsvorschriften<br />
und Rahmenverträge des Pentagon zitiert, denen zufolgg nicht<br />
nur die Höhe des Profits, sondern jede einzelne Unternehmerfunktion<br />
(Bestimmung von Produktbeschaffenheit, Menge, Kapitalbeschaffung,<br />
Arbeitsbedingungen, Zeitplan der Produktion, Forschung<br />
und Entwicklung, Standort, Transport usw.) von der Pentagon-Bürokratie<br />
übernommen, die einzelne Firma mithin zur Filiale eines zentralen<br />
managements degradiert sei. In diesem Prozeß seien kapitalistische<br />
(„Kostenreduktion"), imperialistische (Sicherung von Investitionsräumen)<br />
und militärpolitische (Verteidigung, Sicherheit) Motive<br />
der Rüstungspolitik gleichermaßen irrelevant geworden. Die<br />
Rüstungspolitik ist von ökonomischen Interessen wie von politischparlamentarischen<br />
Kontrollen gleichermaßen entkoppelt; nur noch<br />
dem uneingeschränkten Expansionsdrang der Pentagon-Bürokratie<br />
gehorcht ihr Verlauf. Sie hat sich, vor allem im Verlauf des Indochina-Krieges,<br />
die Kontrolle über ganze Bundesstaaten, über „mindestens<br />
45 000—60 000 Einzelunternehmen" (81), über 10 % der gesamten<br />
Arbeitskraft und über 63 °/o der Forschungskapazität einverleibt<br />
und betreibt mit diesen gewaltigen Ressourcen einen militärisch<br />
wie ökonomisch gleichermaßen unsinnigen Krieg. Dieser von Melman<br />
diagnostizierte Staatsstreich des Militärapparates tarnt sich mit der<br />
Parole „guns and butter", d. h., er empfiehlt sich nicht nur mit militärpolitischer<br />
Notwendigkeit, sondern auch mit wachstumsfördernden<br />
Nebeneffekten. Melman stellt die Gegenrechnung auf mit der abstrakten<br />
Erwägung, was allein mit den militärisch absorbierten Ressourcen<br />
sich hätte bewerkstelligen lassen, wären sie im zivilen Sektor<br />
eingesetzt.<br />
Vom Strom der ziemlich unsortierten Zahlen, Fakten und Daten,<br />
den diese Studie präsentiert, ist der Leser nahezu ebenso irritiert wie<br />
von den Rätseln, die sie offenläßt und nicht einmal als solche registriert.<br />
Rätselhaft bleibt, weshalb sich das auch von Melman nicht <strong>für</strong><br />
machtlos gehaltene Großkapital der USA eine solche Machtergreifung<br />
der Pentagon-Bürokratie einspruchslos bieten läßt — wenn nicht aus<br />
Einsicht in 1. die partielle Funktionalität (Innovation, Kapitalvernichtung)<br />
und 2. die Tatsache, daß sich nur um den Preis katastrophaler<br />
Konsequenzen die militarisierte Ökonomie „rezivilisieren"<br />
ließe. Rätselhaft bleibt, weshalb es gerade und ausschließlich der<br />
militärische Sektor ist, auf dem das Staatsmanagement seinen Machthunger<br />
auslebt — solange man sich nicht vergegenwärtigt, daß nur<br />
die Rüstungswirtschaft (neben kaum relevanten anderen Formen<br />
organisierter Kapitalvernichtung) das Gesamtkapital stimulieren<br />
kann, ohne Einzelkapitalen das Wasser abzugraben (das ist bei zivilen<br />
öffentlichen Investitionen nämlich regelmäßig der Fall, wenn sie<br />
eine bestimmte Grenze überschreiten), — d. h., daß Rüstungsinvestitionen<br />
die ideale „Kompromißzone" der amerikanischen Wachstumspolitik<br />
sind. Rätselhaft bleibt schließlich, weshalb Melman ein Nullsummen-Verhältnis<br />
von militärischer und ziviler Produktion unterstellt<br />
(und auf diese Anahme sein wohlfahrtstaatliches Alternativ-<br />
Programm gründet), — wo doch relatives Wirtschaftswachstum und