01.12.2012 Aufrufe

Das Argument 71 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

Das Argument 71 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

Das Argument 71 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

14<br />

Rainer Seidel<br />

Bedingungen <strong>für</strong> die Prävention<br />

psychischer Störungen<br />

1. Problemstellung<br />

„Vorbeugen ist besser als Heilen". Dieses Prinzip ist in der Medizin<br />

schon seit der Antike theoretisch erkanntAuch <strong>für</strong> den Bereich der<br />

psychischen Störungen wurde die Forderung nach Prävention seit<br />

langem erhoben. Sie ist z. B. nicht unwesentlicher Bestandteil der<br />

Mental-Health Bewegung in den USA und war bereits Programmpunkt<br />

der ersten psychohygienischen Vereinigung in Connecticut<br />

1908 2 .<br />

Obwohl der Gedanke, lieber vorzubeugen als erst die bereits eingetretene<br />

Krankheit zu heilen, offenbar jedermann einsichtig ist, so<br />

ist doch das Problem in der psychiatrischen und psychologischen<br />

Fachliteratur weitgehend vernachlässigt worden. Es scheint geradezu<br />

bezeichnend zu sein, daß häufig, sobald über Vorbeugung psychischer<br />

Störungen gesprochen wird, die Darlegungen sich in Allgemeinplätzen,<br />

Trivialitäten und frommen Wünschen erschöpfen. Sanford 3 bemerkt,<br />

daß Prävention zwar häufig als letztes Ziel der Forschung<br />

angegeben wird, tatsächlich in der Literatur aber als bloßer Nebengedanke<br />

behandelt wir„d. Ein Blick in psychiatrische Lehrbücher bestätigt<br />

dieses Mißverhältnis von vorgegebener Wichtigkeit und tatsächlicher<br />

wissenschaftlicher Bearbeitung dieses Problems. Zum Beispiel<br />

verwendet Bleuler in seinem bekannten Lehrbuch mit 670 S.<br />

nicht mehr als 4 Seiten <strong>für</strong> das Thema der Vorbeugung 4 , die zudem<br />

auf vorwissenschaftlichem Niveau verbleiben. Auch das renommierte<br />

„American Handbook of Psychiatry" (1959/66) behandelt Prävention<br />

nur im Vorübergehen; explizit werden dem Thema ca. 6 Seiten gewidmet<br />

5 . In den letzten Jahren ist die Literatur über Prävention<br />

angestiegen. Aber das allein besagt auch nicht viel über die Ernsthaftigkeit<br />

der Auseinandersetzung. So bezeichnet Dörfcen 6 das unverbindliche<br />

Gerede von der Notwendigkeit der Prävention treffend<br />

als Lippenbekenntnis, „lip service". Auch ein Großteil derer, die<br />

gegen die etablierte Psychiatrie auftreten, scheint sich bisher in<br />

1 Kraft 1964, zit. n. Braceland 19<strong>71</strong>, S. 243.<br />

2 Reimann 1967, S. 75 f.<br />

3 Sanford 1965, S. 1378.<br />

4 Bleuler 1969, elfte Aufl., S. 129—133.<br />

5 s. Blain 1959 und Lemkau 1959 im „AMERICAN HANDBOOK OF<br />

PSYCHIATRY".<br />

6 Dörken 1966, S. 133.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!