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Das Argument 71 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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162<br />

Besprechungen<br />

ihm untersuchten delinquenten Jugendlichen von der nicht-delinquenten<br />

Kontrollgruppe darin unterschieden. Der Schluß, daß familienfernes<br />

„Freizeitverhalten" auf mangelnder familialer Attraktion<br />

beruhe, greift zu kurz, da Ablösungsprozesse von den Eltern eine<br />

notwendige und emanzipatorische Funktion haben.<br />

Heiner Christ (Gießen)<br />

Göppinger, Hans: K r i m i n o l o g i e . Eine Einführung. C. H. Beck-<br />

Verlag, München 19<strong>71</strong> (463 S., Ln., 34,— DM).<br />

Entgegen dem understatement des Untertitels enthält dieses Buch<br />

eine ehrgeizige, umfassende Ausbreitung dessen, was in der bundesdeutschen<br />

Forschung überwiegend als kriminologisch relevant angesehen<br />

wird. Göppinger stützt sich zudem auf Ergebnisse einer<br />

Untersuchung „seines" Tübinger Kriminologischen <strong>Institut</strong>s, die er<br />

als „integrierende interdisziplinäre Grundlagenforschung" bezeichnet<br />

(113 f.): Es werden 500 20 bis 30 Jahre alte Probanden der Landesstrafanstalt<br />

Rottenburg (H-Gruppe, mindestens 6 Monate Freiheitsstrafe)<br />

untersucht und mit einer Kontrollgruppe (V-Gruppe)<br />

verglichen. Göppinger will „ein Grundwissen über die Persönlichkeiten<br />

in ihren sozialen Bezügen bei der H- und V-Gruppe darstellen"<br />

(117). Er koordiniert „eingehende Persönlichkeitsuntersuchungen,<br />

Fremdexplorationen, Orts- und Aktenuntersuchungen" und bezieht<br />

sich zunächst auf eine Zwischenrandauswertung von je 130 Hund<br />

V-Erhebungen. Trotz dieser ansprüchlichen Ausgangslage und<br />

der Selbstdarstellung einer „Grundlagenforschung" handelt es sich<br />

nicht um einen neuen Forschungsansatz. <strong>Das</strong> Schlagwort vom „Täter<br />

in seinen sozialen Bezügen" — per „Gesamtschau" zu ermitteln —<br />

entpuppt sich als Leerformel. Die Prämissen wie auch die bisher<br />

gefundenen Ergebnisse sind nicht neu und erweitern das Erfahrungswissen<br />

der Kriminologie nicht. Es zeigen sich vielmehr merkwürdige<br />

Trends, unter Ausklammerung bisheriger Kenntnisse voluntaristisch<br />

Befunde zu antizipieren. Die Tübinger Untersuchung, so hört man,<br />

habe beispielsweise nicht ergeben, daß strukturelle Unvollständigkeit<br />

der Familie als kriminogener Faktor wirksam werde (180). Bei der<br />

Darstellung der Verwaisung wird dann aber nachgeschoben, daß bei<br />

der untersuchten H-Gruppe die Mütter „häufig" wieder heirateten<br />

oder „Onkelehen" führten; Zahlen erfährt man nicht. Damit ist zwar<br />

die Unvollständigkeit der Familie durch Auftreten neuer Bezugspersonen<br />

einerseits erst einmal wieder kompensiert, andererseits ist<br />

es aber gerade die „Wiederauffüllung" der Familie durch Stiefväter,<br />

die bei delinquenten Jugendlidien erhöht ist und kriminogen wirkt.<br />

Trotz des Untersuchungsziels, „den Täter in seinen sozialen Bezügen"<br />

zu „erkennen", vollzieht sich eine bewußte Ausgrenzung ganzer<br />

Forschungsrichtungen. Der Stigmatisierungs- und Selektionsansatz<br />

wird ausgespart, „weil zur Zeit zu wenig gesichertes Wissen<br />

darüber vorliegt" (VIII). Um so dringlicher wäre eine Eruierung in

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