Das Argument 71 - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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Bedingungen <strong>für</strong> die Prävention psychischer Störungen 51<br />
gesellschaftlicher Fonds sowie eine gesellschaftliche Organisation des<br />
Gesundheitswesens.<br />
7. Wechselwirkung zwischen den Arbeits- und Lebensbedingungen und<br />
den Wirkungsmöglichkeiten spezifischer Prävention<br />
Wir kommen nun zu der Beziehung, die in dem Schema durch den<br />
Pfeil 2c gekennzeichnet ist: Die Arbeits- und Lebensverhältnisse beeinflussen<br />
die Möglichkeiten und die Wirksamkeit aller Aktivitäten<br />
des psychiatrischen Versorgungssystems. Diese Beziehung gilt nicht<br />
nur <strong>für</strong> explizit präventive Maßnahmen, sondern z. B. auch <strong>für</strong> alle<br />
Therapie. Die Arbeits- und Lebensverhältnisse üben somit nicht nur<br />
unmittelbar auf die Entstehung oder Nicht-Entstehung von psychischen<br />
Störungen ein, sondern sie wirken auch als Bedingungen von<br />
Anwendbarkeit und Erfolg der aktiven Versuche, seelisches Leiden<br />
zu bekämpfen. Nach den bisherigen Darlegungen kann dies sehr kurz<br />
abgehandelt werden.<br />
7.1. Arbeitsbedingungen<br />
Die Misere der Rehabilitationsbemühungen in den kapitalistischen<br />
Ländern ist bekannt: Da der Profit des Unternehmens das alleinige<br />
Kriterium wirtschaftlicher Entscheidungen ist und da stets ein mehr<br />
oder minder hoher Grad an Arbeitslosigkeit vorhanden ist, ist es<br />
meist ein Glücksfall, wenn es dem Psychiater oder Sozial<strong>für</strong>sorger<br />
gelingt, einem psychisch behinderten oder einem noch nicht wieder<br />
voll geheilten Patienten oder überhaupt einem ehemaligen psychisch<br />
Kranken eine adäquate Arbeit zu beschaffen — ganz abgesehen davon,<br />
daß dem Werktätigen bei Krankheit ohnehin sehr schnell der<br />
Verlust des Arbeitsplatzes droht und auch keine allgemeine Sicherheit<br />
des Arbeitsplatzes besteht. Craft faßt diese Schwierigkeiten mit<br />
Bezug auf geistig Behinderte — es gilt aber gleichermaßen <strong>für</strong> alle<br />
psychisch Gestörten — treffend zusammen: „Der entscheidende (final)<br />
Unterschied zwischen UdSSR und Großbritannien (<strong>für</strong> die USA gilt<br />
das gleiche — wenn nicht noch verstärkt, R. S.) ist in der Bestimmung<br />
eines Arbeitsplatzes zu sehen. In dem ersteren Land hat der Behinderte<br />
Arbeit als ein staatlich gesichertes Recht; im letzteren Land<br />
muß ein überarbeiteter Sozialarbeiter versuchen, eine Nische zu finden,<br />
oftmals mit Hilfe eines wohlgesonnenen Arbeitgebers 124 ." Ansonsten<br />
leuchtet ein, daß alle im Abschnitt 4.1. genannten pathogenen<br />
Bedingungen auch ungünstig wirken müssen gegenüber allen präventiven<br />
Bemühungen: was sollen z. B. gute Ratschläge eines Psychiaters<br />
oder eines Sozialarbeiters, wenn die realen Arbeitsverhältnisse<br />
eine zu hohe tägliche psychische Belastung mit sich bringen.<br />
7.2. Sozialisation<br />
Auch hier ist der Darstellung der pathogenen Faktoren wenig<br />
hinzuzufügen. So liegt auf der Hand, daß die Eingriffsmöglichkeiten<br />
124 Craft 1967, S. 211, 212.