Das Argument 71 - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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184 Besprechungen<br />
menschlicher <strong>für</strong> das Kriterium der Mobilisierung wirtschaftlicher<br />
Ressourcen gehalten wird (39), scheint eine planvolle Expansion in<br />
diesem Bereich mit einer technologischen Fortschrittsgarantie identisch<br />
zu sein. Unter diesem <strong>für</strong> Übergangsgesellschaften zentralen<br />
Aspekt entwerfen die Autoren ein umfassendes und gleichermaßen<br />
detailliertes Bild von den enormen Anstrengungen, die in Kuba nach<br />
der Revolution unternommen wurden, um den Anschluß an gesellschaftlich<br />
und ökonomisch erforderliche Bildungsstandards zu gewinnen.<br />
Am Beispiel der spektakulären und überaus erfolgreichen<br />
Alphabetisierungskampagne von 1961 (17—21), der weiterführenden<br />
Bildungsprogramme <strong>für</strong> Arbeiter und Bauern (21—26), der Lehrerbildung<br />
(27—31), der Vorschulerziehung (32 f.), der Lehrmittelökonomie<br />
und der wissenschaftlichen Ausbildung skizzieren sie das besondere<br />
Verhältnis zwischen den Ausgangsbedingungen und den vorläufigen<br />
Ergebnissen einer genuin politischen Strategie, die zur Emanzipation<br />
von Analphabetismus und Unwissenheit führen soll. Ohne<br />
daß sich dabei die Euphemismen, die aus plausiblen Gründen mitunter<br />
das Selbstverständnis der revolutionären Führung zu dieser<br />
Frage charakterisieren, in die Darstellung einschleichen, machen die<br />
Verfasser eine positive Bilanz der bisherigen bildungspolitischen<br />
Initiativen im sozialistischen Kuba auf. Auch wenn sie konstatieren<br />
müssen, daß die Qualiät der kubanischen Bildung bislang noch weit<br />
hinter ihrer Quantität zurückgeblieben ist (41), und daß der Prioritätenkatalog<br />
der wissenschaftlichen Forschungs- und Ausbildungsprogramme<br />
noch heute auf elementare wirtschaftliche Struktur- und<br />
Wachstumsprobleme zugeschnitten ist, so geht doch aus der Gesamtanalyse<br />
— vor allem aus dem lateinamerikanischen und vorrevolutionär-kubanischen<br />
Vergleich, der sich auf illustrative tabellarische<br />
Übersichten stützt — unzweideutig hervor, daß sie bereits in der<br />
gegenwärtigen Entwicklungsphase wichtige Elemente der Humanisierung<br />
gesellschaftlicher Verhältnisse enthält.<br />
Zu ganz ähnlichen Ergebnissen führt auch die Analyse der Strukturveränderungen<br />
im kubanischen Gesundheitswesen: einer entschieden<br />
verbesserten und auf alle Bevölkerungsschichten ausgeweiteten<br />
medizinischen Versorgung ist es demnach zuzuschreiben, daß<br />
die „Krankheits- und Sterblichkeitsraten in der kurzen Spanne von<br />
acht Jahren" in einem <strong>für</strong> sonstige lateinamerikanische Verhältnisse<br />
undenkbaren Maße gesunken sind. Es entspricht völlig dem theoretischen<br />
Ansatz der Verfasser, daß sie ihr Hauptinteresse jedoch nicht<br />
auf diese Aspekte des kubanischen Sozialismus richten, sondern auf<br />
Probleme der wirtschaftlichen Entwicklung, wie sie unter seinen<br />
gesellschaftspolitischen Präferenzen geplant wurde und faktisch vonstatten<br />
ging. Indem sie diesem Teil der Darstellung ein angemessenes<br />
historisches Vorverständnis zugrunde legen, das die besonderen Relikte<br />
des Kolonialismus und Imperialismus als Bezugsdaten der<br />
sozialen Revolution umgreift, durchbrechen sie die Methodik der<br />
bürgerlichen Wissenschaft, die ihren Gegenstand im Falle anti-imperialistischer<br />
und sozialistischer Emanzipationsbewegungen bereitwillig<br />
aus seinem historischen Kontext herauslöst. Wenn sie die vor-