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Das Argument 71 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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80 Heinz-Harald, Abholz, Irma Gleiss<br />

Mit dem berechtigten Vorwurf, daß diese Therapie blinde Anpassung<br />

der Kranken an eine Gesellschaft versuche, die selber die<br />

Krankheit mit verursachte, daß sie arbeitsfähig mache <strong>für</strong> einen<br />

Arbeitsprozeß, der dem Profitinteresse unterworfen sei, wird dieser<br />

neue Therapieversuch von einer Position her kritisiert, deren Standort<br />

an dem Buch von Basaglia stellvertretend <strong>für</strong> viele andere Autoren<br />

untersucht werden soll.<br />

II.<br />

<strong>Das</strong> Buch berichtet anhand von Aufzeichnungen, Aufsätzen und<br />

Interviews über die Transformation einer traditionell geführten<br />

italienischen psychiatrischen Anstalt in eine Form der Therapeutischen<br />

Gemeinschaft. Den Autoren geht es dabei nicht nur darum,<br />

einen Bericht über die Veränderungen in der Anstalt zu geben, sondern<br />

sie wollen eine Analyse der klassischen Psychiatrie, der Therapeutischen<br />

Gemeinschaft und allgemein eine Analyse des politischen<br />

Moments in der Psychiatrie liefern. Aus dieser Analyse werden dann<br />

die Konsequenzen <strong>für</strong> das eigene Konzept der Therapie psychisch<br />

Kranker abgeleitet.<br />

Im vorliegenden Buch wird zunächst detailliert beschrieben, wie<br />

die alte „Irrenanstalt" in Görz, dem Standort der Klinik, in eine<br />

Form der Therapeutischen Gemeinschaft überführt wurde. Bei der<br />

Darstellung dieses Vorganges unterscheidet sich der Bericht kaum<br />

von denen anderer Autoren über ähnliche Veränderungen. Bei der<br />

Beschreibung der Therapeutischen Gemeinschaft aber beginnt die<br />

Kritik dessen, was gerade aufgebaut wurde: „Der therapeutische Akt<br />

erweist sich als ein politischer Akt der Integration, insofern als er<br />

versucht, eine bestehende Krise — regressiv — wieder zurechtzubiegen,<br />

indem er letztlich das hinnehmen läßt, was die Krise überhaupt<br />

erst verursacht hat" (138). „Die Therapiegemeinschaft wird akzeptiert,<br />

weil sie ein neues Modell psychiatrischer Assistenz entwirft, folglich<br />

eine Möglichkeit aufzeigt, die eklatantesten Reformen zu sanieren"<br />

(364).<br />

Man habe „jetzt die Therapeutische Gemeinschaft so entdeckt, so<br />

wie man ein neues Produkt entdeckt: Sie heilt besser, ,so wie <strong>Das</strong>h<br />

weißer wäscht'. In diesem Fall wären nicht nur die Kranken, sondern<br />

auch die Ärzte und das Pflegepersonal, die zur Verwirklichung dieser<br />

neuen und guten institutionellen Dimension beigetragen haben,<br />

die Gefangenen eines von ihnen selbst errichteten, gitterlosen Gefängnisses<br />

. . . " (158). Da die Autoren die Funktion der Therapeutischen<br />

Gemeinschaft nur in der Anpassung, der Integration an das<br />

herrschende System sehen, heißt es <strong>für</strong> sie, eine therapeutische<br />

Alternative suchen, die nicht systemstabilisierend ist.<br />

„Der Ansatz dazu ist die totale Ablehnung all dessen, was uns umgibt:<br />

die Krankheit, unser sozialer Aufstieg, unsere Rollenhaftigkeit.<br />

Wir lehnen folglich alles ab, was unserer Arbeit eine bereits definierte<br />

Bedeutung geben könnte. In dem Augenblick, in dem wir unseren<br />

sozialen Auftrag von uns weisen, geben wir auch die These<br />

von der Unheilbarkeit der Krankheit auf und verlassen unsere Rolle

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