Das Argument 71 - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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Bedingungen <strong>für</strong> die Prävention psychischer Störungen<br />
Station unangemessen ist. Unter der Voraussetzung, daß die Grunderfordernisse<br />
erfüllt sind, werden sorgfältige empirische Untersuchungen<br />
notwendig, um die genauen Vorgehensweisen zu bestimmen.<br />
Gewisse Fragen der Effizienz lassen sich experimentell beantworten.<br />
So prüften Langsley et al. (19<strong>71</strong>) die Effektivität von sog. Krisenintervention<br />
bzw. Vermeidung von Hospitalisierung. Sie verteilten<br />
300 Patienten, die nach Fachurteil sofortiger stationärer Behandlung<br />
bedurften, nach Zufall in 2 Gruppen; die eine Gruppe erhielt ambulante<br />
„family crisis therapy", die andere wurde ins Krankenhaus<br />
aufgenommen. Die Überprüfung nach 6 und nach 18 Monaten ergab<br />
u. a., daß eine Hospitalisierung der ambulant Behandelten in der Tat<br />
nicht nötig gewesen wäre. Durch geeignete Maßnahmen kann offenbar<br />
Hospitalisierung bei vielen Patienten vermieden werden. Man<br />
könnte nun indirekt schließen, daß dort, wo eine intensive nichtstationäre<br />
Behandlung erfolgt, wie in der SU, auch günstige Erfolge<br />
bezüglich des allgemeinen Krankenstands erzielt werden. Von Interesse<br />
bleibt jedoch die direkte Bestimmung des Krankenstands.<br />
Um die Morbidität an psychischen Störungen zu beurteilen, kann<br />
man folgende Kriterien anlegen (vereinfachte Darstellung), a) Die<br />
Inzidenz; dies ist die Anzahl von Neuerkrankungen in einem gegebenen<br />
Zeitraum relativ zur Bevölkerung. Ein Sinken der Inzidenzrate<br />
würde die Wirkung primärer Prävention anzeigen, b) Die Prävalenz;<br />
dies ist die relative Anzahl von Personen mit psychischen Störungen,<br />
die im Durchschnitt zu erwarten ist. Die Prävalenz ist eine Funktion<br />
der Inzidenz und der Dauer der einzelnen Erkrankungen. Daher kann<br />
eine Senkung der Prävalenzrate sowohl auf primäre wie sekundäre<br />
und tertiäre Prävention zurückgehen. In diese Maße geht der Schweregrad<br />
der jeweiligen Erkrankungen nicht mit ein 128 . Arbeitsunfähigkeit<br />
und zeitweilige oder dauernde Unterbringung in einer psychiatrischen<br />
<strong>Institut</strong>ion sind besonders schwere Folgen psychischer Störungen.<br />
c) Es ist daher sinnvoll, einen Index <strong>für</strong> das Ausmaß an Hospitalisierung<br />
heranzuziehen.<br />
Meist erfaßt man nur die Personen, die in irgendeiner Form einmal<br />
mit <strong>Institut</strong>ionen der psychiatrischen Krankenversorgung in Berührung<br />
kamen. Diese Erfassungsweise gibt Daten der behandelten Morbidität.<br />
Die tatsächliche Morbidität — ob behandelt oder nicht —<br />
kann man dagegen als „wahre" Inzidenz und Prävalenz bezeichnen<br />
127 . Sie sind <strong>für</strong> die psychischen Störungen kaum eindeutig und<br />
zuverlässig zu ermitteln. Es empfiehlt sich weiter, die Variable „Intensität<br />
der Versorgung" einzuführen. Man muß sehen, daß die Raten<br />
der behandelten Morbidität <strong>für</strong> sich allein genommen keinen hinreichenden<br />
Aufschluß geben. Eine niedrige behandelte Morbidität<br />
kann mindestens zweierlei bedeuten: die untersuchte Bevölkerung<br />
verfügt tatsächlich über eine geringe Zahl von psychisch gestörten<br />
Personen, oder: es gibt viele psychisch Gestörte, aber sie werden<br />
126 s. z. B. Plog 1969, S. 307.<br />
127 n. Miller & Mishler 1959.<br />
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