Das Argument 71 - Berliner Institut für kritische Theorie eV
Das Argument 71 - Berliner Institut für kritische Theorie eV
Das Argument 71 - Berliner Institut für kritische Theorie eV
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Politik und soziale Bewegung 181<br />
mäßigen Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus. Einer konvergenztheoretischen<br />
Konzeption zu Folge (vgl. die Schriften von<br />
Galbraith) werden die kapitalistische und die sozialistische Gesellschaft<br />
als Varianten der „modernen Industriegesellschaft" angesehen,<br />
die sich beide mit den gleichen „Sachproblemen" konfrontiert sähen,<br />
den gleichen, aus der Entwicklung der wissenschaftlich-technischen<br />
Revolution resultierenden, „Sachzwängen" unterworfen seien. Folglich<br />
biete sich, „weit ab von jeder Ideologie", eine Verständigung<br />
über diese Probleme an, wobei natürlich, und dies arbeitet Rose in<br />
bemerkenswerter Weise heraus, die Negierung des Grundwiderspruchs<br />
der kapitalistischen Gesellschaft und dessen Aufhebung in<br />
der sozialistischen dieser konvergenztheoretischen Variante zugrunde<br />
liegen.<br />
Rose begnügt sich aber nicht mit dieser, wohl am stärksten verbreiteten,<br />
Variante der Konvergenztheorie, er untersucht gleichermaßen<br />
unter dem Aspekt des Stellenwertes konvergenztheoretischer<br />
<strong>Theorie</strong>n in der bürgerlichen Ideologie die „linke" Variante, die sich<br />
auch, besonders im Gefolge von Marcuse, an der Negierung der historischen<br />
Perspektive beider Gesellschaftssysteme versucht. Da Marcuse<br />
in seiner „negativen Konvergenztheorie" den grundlegenden<br />
Unterschied zwischen Kapitalismus und Sozialismus auf das unterschiedliche<br />
Leistungsprinzip reduziert, kann er nur noch zu dem<br />
Ergebnis kommen, daß sich die Autonomie und Selbstorganisation<br />
des Menschen, die nach Marcuse weder im Kapitalismus noch im<br />
Sozialismus gegeben sind, nur noch in der Form des Partisanentums<br />
verwirklichen kann (113). Rose weist an dieser Stelle sehr detailliert<br />
nach, daß sich weder Marcuse noch seine „ultralinken" studentischen<br />
Apologeten auf Marx berufen können, sondern sich einen kleinbürgerlichen,<br />
romantischen und utopischen Sozialismusbegriff zu eigen<br />
machen.<br />
Eine andere „linke" Variante der Konvergenztheorie befleißigt<br />
sich, die antagonistischen Klassenverhältnisse der kapitalistischen<br />
Gesellschaft auf einen angeblichen „Nord-Süd-Antagonismus" zu<br />
projizieren, um, so Rose, die derzeitige Politik der VR China zu<br />
rechtfertigen, die sie „zum Vorkämpfer der ,armen' Völker erklären"<br />
(128). Daß auch diese Variante der Untergrabung der kommunistischen<br />
Weltbewegung dienen soll, braucht wohl nicht näher erläutert<br />
werden.<br />
Die hauptsächlichen ideologischen und politischen Funktionen aller<br />
Varianten der Konvergenztheorie wird wie folgt zusammengefaßt:<br />
1. Sie ermöglichen dem Spätkapitalismus die Perspektive zum wandlungsfähigen,<br />
sich selbst reformierenden Kapitalismus.<br />
2. Sie dienen der Immunisierung der antiimeprialistischen Kräfte in<br />
den kapitalistischen Ländern gegen sozialistische Ideen und Perspektiven.<br />
3. Sie liefert das Leitbild <strong>für</strong> den Neokolonialismus.<br />
4. Sie dient der ideologischen Diversion gegen die sozialistischen<br />
Länder (141).