Das Argument 71 - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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Ökonomie 195<br />
Melman, Seymour: Pentagon Capitalism, The Political Economy<br />
of War, McGraw Hill, New York 1970 (290 S., paperback,<br />
US $ 2,95).<br />
Für jede Interpretation des Verhältnisses von Staatsapparat und<br />
ökonomischen Interessen ist die Analyse der Rüstungsökonomie, vorab<br />
der US-amerikanischen, ein entscheidender Testfall. Die beiden<br />
hier besprochenen Bücher haben diesen Testfall zum Gegenstand.<br />
Victor Perlo, einer der prominentesten Theoretiker der Alten Linken<br />
in den USA, stützt sich auf die Phase des kalten Krieges und verarbeitet<br />
Material bis 1960/61. Seymour Melman, einer der akademischen<br />
Wortführer der liberalen Anti-Kriegs-Bewegung, hat sein Buch<br />
1970 abgeschlossen; sein Gegenstand ist die Rüstungsökonomie des<br />
Vietnam-Krieges. Die Ausgangsfrage beider Autoren ist identisch,<br />
nämlich die nach den strukturellen Triebkräften von Rüstungsökonomie<br />
und Militarismus in den USA. Ihre Erklärungsansätze sind konträr:<br />
auf der einen Seite versucht Perlo, nach ökonomisch-statistischen<br />
Kriterien die Branchen und Kapitalblöcke zu benennen, die<br />
ihrer spezifischen Marktposition zufolge die Rolle der Kriegstreiber<br />
übernehmen und als Stütze des Militarismus fungieren. Auf der<br />
anderen Seite exponiert sich Melman mit der These, die amerikanische<br />
Rüstungspolitik korrespondiere keinerlei profitrationalen Motiven,<br />
sondern gehe auf das autonom agierende Machtgelüst des<br />
„Staatsmanagements" zurück. Soweit ich sehe, markieren diese beiden<br />
Bücher polare Flügelpositionen in einem Feld von Studien, in<br />
denen die Bücher von Weidenbaum, Cook, Lens, Barnet, Galbraith<br />
und andere Misch- und Mittelpositionen einnehmen.<br />
Für die Funktionalität der Rüstungsökonomie <strong>für</strong> das Kapital gibt<br />
es drei analytische Hauptargumente. Sie beziehen sich<br />
1. auf die überdurchschnittlich hohe Profitrate der Rüstungsindustrie;<br />
2. auf den Aspekt der imperialistischen Sicherung von Rohstoff- und<br />
Absatzmärkten, und vor allem der Sicherung der Investitionsgelegenheit<br />
im Ausland; und schließlich<br />
3. auf die konjunktur- und wachstumspolitischen Funktionen der Rüstungswirtschaft,<br />
in der ein antizyklisches Steuerungsinstrument,<br />
die organisierte Kapitalvernichtung und ein Motor der Innovation<br />
zugleich gegeben sind.<br />
Perlo berücksichtigt nur die beiden ersten Gesichtspunkte und leitet<br />
aus ihnen die Hypothese ab, daß<br />
1. die Industrien mit einem besonders hohen aus Rüstungsproduktion<br />
resultierenden Anteil an ihrem Gesamtprofit plus<br />
2. die Industrien mit einem hohen aus ausländischen Investitionen<br />
resultierenden Anteil am Gesamtprofit die militaristischen Kräfte<br />
seien, die tatsächlich den Kurs der amerikanischen Rüstungspolitik<br />
induzieren — und zwar über ein System von Einfluß- und Kooptationsstrategien,<br />
das als selbstverständlich vorausgesetzt und nicht<br />
weiter problematisiert wird (13 ff.).<br />
Perlo zeigt, daß Rüstungs- und Auslandsprofite über den inländisch-zivilen<br />
liegen (33 ff.), daß sie, zusammengenommen, einen erheblichen<br />
Anteil (über ein Drittel) der gesamten Profitmasse ausge-